SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
angeordnet, hatte ihre jüngere Schwester in den Schrecken der Otataral-Minen geschickt. Um ihrer Karriere willen. Ihr Bruder, Paran, war in Genabackis auf irgendeine Weise in Ungnade gefallen. Und anschließend desertiert. Eine Peinlichkeit, zugegeben, aber ganz sicher nicht ausreichend, um eine solche Reaktion von Tavore zu rechtfertigen. Es sei denn … Es gab Gerüchte, dass der Junge ein Agent von Mandata Lorn gewesen und seine Desertion in letzter Konsequenz zu Lorns Tod in Darujhistan geführt haben soll. Doch wenn das wahr war – warum hatte die Imperatrix ihren herrschaftlichen Blick dann auf ein anderes Kind des Hauses Paran gelenkt? Warum hatte sie ausgerechnet Tavore zur neuen Mandata gemacht?
»Faust Gamet.«
Er blinzelte. »Mandata?«
»Setzt Euch, bitte. Ich würde gerne noch ein paar Worte mit Euch wechseln, aber das hat im Augenblick noch Zeit.«
Nickend blickte Gamet sich um, bis er den einzelnen hochlehnigen Stuhl entdeckte, der an einer der Wände des kleinen Zimmers stand. Er sah alles andere als bequem aus, was angesichts seiner Müdigkeit wahrscheinlich sogar von Vorteil war. Ein drohendes Knarren ertönte, als er sich hinsetzte, und er verzog das Gesicht. »Kein Wunder, dass Pormqual den nicht zusammen mit all den anderen Dingen weggeschafft hat«, murmelte er.
»Nach allem, was ich weiß«, sagte Nok, »ist das fragliche Transportschiff im Hafen von Malaz gesunken – mitsamt der Beute der verstorbenen Hohefaust.«
Gamet zog die struppigen Brauen hoch. »Es hat den ganzen Weg hinter sich gebracht … nur, um dann im Hafen zu sinken? Was ist geschehen?«
Der Admiral zuckte die Schultern. »Kein einziges Mitglied der Besatzung hat es bis ans Ufer geschafft, um davon zu berichten.«
Niemand? Wirklich niemand?
Nok schien seinen skeptischen Blick zu bemerken, denn er erklärte weiter: »Der Hafen von Malaz ist für seine Haie bekannt. Es wurden ein paar Beiboote gefunden – voller Wasser, aber ansonsten leer.«
Die Mandata hatte – vollkommen untypisch für sie – zugelassen, dass die beiden Männer sich austauschten, und Gamet fragte sich, ob Tavore dem geheimnisvollen Verlust des Transportschiffs vielleicht eine verborgene Bedeutung beimaß. Jetzt ergriff sie das Wort. »Damit bleibt es also ein eigentümliches Unglück – ein Schiff sinkt unter unerklärlichen Umständen, die Rettungsboote sind leer, die Seeleute verschwunden. Der Hafen von Malaz ist in der Tat für seine Haie berüchtigt, vor allem, da sie einzigartigerweise in der Lage zu sein scheinen, ihre Opfer mit Haut und Haaren zu verschlingen und nichts, aber auch gar nichts übrig zu lassen.«
»Es gibt Haie, die genau das tun können«, erwiderte Nok. »Ich weiß von mindestens zwölf Schiffen, die auf dem schlammigen Grund des fraglichen Hafens ruhen – «
»Einschließlich der Verdreht«, sagte die Mandata gedehnt, »dem Flaggschiff des alten Imperators, das in der Nacht nach den Attentaten auf unerklärliche Weise aus seiner Vertäuung gerutscht und prompt in den Tiefen versunken ist – und dabei gleich noch den Borddämon mitgerissen hat.«
»Vielleicht mag der Dämon Gesellschaft«, bemerkte Nok. »Die Fischer der Insel schwören schließlich Stein und Bein, dass es im Hafen spukt. So häufig, wie da Netze verloren gehen – «
»Admiral«, unterbrach ihn Tavore. Ihre Blicke ruhten auf der erloschenen Feuerstelle. »Es gibt Euch und dann noch drei andere. Das sind alle, die noch übrig sind.«
Gamet setzte sich langsam aufrechter hin. Drei andere. Hohemagier Tayschrenn, Dujek Einarm und Elster. Insgesamt vier … ihr Götter, sind das jetzt tatsächlich alle? Flickenseel, Bellurdan, Nachtfrost, Duiker … so viele sind gefallen -
Admiral Nok blickte die Mandata einfach nur an. Er hatte den Zorn der Imperatrix ertragen, das erste Mal, als Cartheron Crust verschwunden war, und dann bei Urko und Ameron. Was auch immer er für Antworten gegeben hatte – er hatte sie vor langer Zeit gegeben.
»Ich spreche nicht im Namen der Imperatrix«, sagte Tavore nach einem Augenblick. »Und ich bin auch nicht an … Einzelheiten interessiert. Mein Interesse hat am ehesten etwas mit persönlicher … Neugier zu tun, Admiral. Ich würde gern begreifen, warum sie sie im Stich gelassen haben.«
Stille erfüllte das Zimmer, wuchs an, bis sie an einem toten Punkt angekommen waren. Gamet lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ach, Mädchen, du stellst Fragen nach … nach dem Wesen von Loyalität, wie jemand, der noch
Weitere Kostenlose Bücher