SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
hat. Sympathisierende Agenten im Militär und der Verwaltung zu platzieren – diese Art der Unterwanderung ist für beide Seiten profitabel. Aber Tavore ist nun die Mandata, und als solche muss sie ihre alten Bande lösen, ihre alten Loyalitäten aufgeben.« Perl machte eine Pause und tippte mit einem Finger auf die ausgebreitete Schriftrolle. »Sie hat uns die Krallen geliefert, Hauptmann. Wir werden diesen Baudin den Jüngeren finden, und von ihm ausgehend, werden wir die gesamte Organisation aufrollen.«
Lostara sagte mehrere Herzschläge lang nichts. »In einem gewissen Sinn steht unsere Mission den Interessen des Imperiums nicht entgegen«, meinte sie schließlich.
Perl ließ ein Lächeln aufblitzen.
»Aber, wenn dem so ist«, fuhr Lostara fort, »warum hat die Mandata es dann nicht einfach gesagt?«
»Oh, ich glaube, diese Frage können wir im Augenblick unbeantwortet lassen – «
»Nein! Ich will jetzt eine Antwort!«
Perl seufzte. »Weil für Tavore die Auslieferung der Krallen gegenüber unserem Auftrag, Felisin zu finden, zweitrangig ist, meine Liebe. Und das gehört nicht hierher, und es gehört nicht nur nicht hierher, sondern es ist auch noch verdammungswürdig. Glaubt Ihr etwa, die Imperatrix würde diese raffinierte kleine Intrige – diese Lüge hinter der allzu öffentlichen Zurschaustellung der Loyalität der neuen Mandata – einfach nur belächeln? Ich meine – sie hat ihre eigene Schwester in die Otataral-Minen geschickt! Der Vermummte soll uns alle holen, was für eine harte Frau! Da hat die Imperatrix aber eine gute Wahl getroffen, was?«
Lostara verzog das Gesicht. Eine gute Wahl getroffen … wenn man welchen Gedanken zugrunde legt? »Das hat sie in der Tat.«
»Ja, ich stimme zu. Es ist jedenfalls ein fairer Tausch – wir retten Felisin und werden mit einem führenden Agenten der Krallen belohnt. Die Imperatrix wird sich zunächst natürlich wundern, was wir draußen auf der Otataral-Insel zu suchen hatten – «
»Ihr werdet sie anlügen müssen, nicht wahr?«
Perls Lächeln wurde breiter. »Wir werden es beide müssen, Schätzchen. Genau wie die Mandata es müsste, und Faust Gamet, sollte es so weit kommen. Außer natürlich, ich nehme das Angebot der Mandata an. Das Angebot, das sie mir persönlich gemacht hat, genauer gesagt.«
Lostara nickte langsam. »Ihr habt keinen Auftrag. Klar. Seid beim Meister der Klaue und der Imperatrix in Ungnade gefallen. Wollt unbedingt Wiedergutmachung. Eine unabhängige Mission – Ihr seid irgendwie über ein Gerücht gestolpert, bei dem es um eine echte Kralle gegangen ist, und habt Euch auf die Spur des Mannes gesetzt. So wird das Verdienst, die neue Organisation der Krallen aufgerollt zu haben, Euch zugeschrieben – Euch ganz allein.«
»Oder uns«, korrigierte Perl sie. »Wenn Ihr das wünscht.«
Sie zuckte die Schultern. »Das können wir später noch entscheiden. Also gut, Perl. Nun sagt mir«, sie kam an seine Seite, »wie sehen die Einzelheiten aus, mit denen die Mandata uns so gütigst versorgt hat?«
Admiral Nok stand vor der Feuerstelle, den Blick auf die kalte Asche gerichtet. Als er hörte, wie die Tür sich öffnete, wandte er sich langsam um; sein Gesichtsausdruck war so unbewegt wie immer.
»Ich danke Euch für Eure Geduld«, sagte die Mandata.
Der Admiral sagte nichts, sein ruhiger Blick wanderte einen Moment lang zu Gamet.
Die gedämpften Echos der Mitternachtsglocke verklangen gerade. Faust Gamet war erschöpft. Er fühlte sich schwach und zerstreut und nicht in der Lage, Noks Blick lange standzuhalten. An diesem Abend war er kaum mehr als das Schoßtier der Mandata, oder noch schlimmer, ihr Vertrauter gewesen. Stillschweigend in ihre Pläne innerhalb größerer Pläne einbezogen, ohne sich auch nur die Illusion zu machen, er hätte eine Wahl. Als Tavore ihn zum ersten Mal in ihr Gefolge aufgenommen hatte – kurz nach Felisins Verhaftung –, hatte Gamet kurz daran gedacht, sich aus dem Staub zu machen und einfach zu verschwinden, der altehrwürdigen Tradition bei malazanischen Soldaten in einer unangenehmen Lage folgend. Doch er hatte es nicht getan, und der eigentliche Grund, warum er sich Tavores innerem Kreis von Ratgebern angeschlossen hatte – nicht, dass sie tatsächlich jemals aufgefordert worden wären, ihr einen Rat zu geben –, hatte sich bei unbarmherziger Betrachtung als weit weniger löblich erwiesen. Er war von einer makabren Neugier getrieben. Tavore hatte die Verhaftung ihrer Eltern
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