SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
hatte.«
»Ein Vielwandler?«
»Ja.«
»Und in wie viele Tiere hat er – «
»Sieben.«
Trull starrte zu den Statuen hinauf und machte eine Handbewegung in ihre Richtung. »Wir haben die nicht gebaut. Nein, sicher bin ich mir nicht, aber in meinem Herzen spüre ich … keine Verbindung. In meinen Augen wirken sie bedrohlich und brutal, T’lan Imass. Die Hunde des Schattens sind es nicht wert, dass man sie anbetet. Sie sind in der Tat ungebunden, wild und tödlich. Um sie wirklich zu beherrschen, muss man auf dem Schattenthron sitzen – als Herr der Sphäre. Sogar noch mehr als das. Man muss zuerst die einzelnen Fragmente zusammenziehen. Muss Kurald Emurlahn wieder heil machen.«
»Und genau das wollen deine Verwandten versuchen«, knurrte Onrack. »Die Möglichkeit beunruhigt mich.«
Der Tiste Edur musterte den T’lan Imass und zuckte dann die Schultern. »Ich habe deine Sorge angesichts dieser Aussicht nicht geteilt – zumindest am Anfang nicht. Und in der Tat, wäre unser Unterfangen … rein geblieben, würde ich vielleicht immer noch neben meinen Brüdern stehen. Aber eine andere Macht mischt sich bei all dem aus dem Verborgenen ein – ich weiß nicht, wer oder was es ist, aber ich würde den Schleier nur zu gern beiseite reißen.«
»Warum?«
Trull schien von der Frage überrascht. Er schauderte. »Weil das, was er oder es aus meinem Volk gemacht hat, eine Abscheulichkeit ist, Onrack.«
Der T’lan Imass machte sich in Richtung der Lücke zwischen den beiden nächsten Statuen auf.
Nach kurzem Zögern folgte ihm Trull Sengar. »Ich nehme an, du weißt nicht viel darüber, wie es ist, wenn man zusehen muss, wie die eigenen Verwandten in Auflösung begriffen sind, zu sehen, wie der Geist eines ganzen Volkes zersetzt wird, wie es ist, unaufhörlich zu kämpfen, um ihnen die Augen zu öffnen – so, wie irgendeine zufällige Klarheit dir die Augen geöffnet hat.«
»Das stimmt«, erwiderte Onrack, während er weiter über den durchnässten Boden stapfte.
»Und es ist auch keine reine Naivität«, fuhr der Tiste Edur fort, der hinter Onrack herhinkte. »Unsere Leugnung ist vorsätzlich, unsere gekünstelte Gleichgültigkeit dient praktischerweise unseren niedersten Begierden. Wir sind ein langlebiges Volk, das sich jetzt kurzfristigen Interessen beugt.«
»Wenn du das ungewöhnlich findest«, murmelte der T’lan Imass, »könnte man daraus schließen, dass derjenige, der hinter dem Schleier steht, nur kurze Zeit Verwendung für euch haben wird – sofern diese verborgene Macht tatsächlich die Tiste Edur manipuliert.«
»Ein interessanter Gedanke. Du könntest Recht haben. Die Frage ist dann – was wird mit meinem Volk geschehen, wenn das kurzfristige Ziel erst einmal erreicht ist?«
»Dinge, die ihre Nützlichkeit überdauern, werden weggeworfen«, erwiderte Onrack.
»Aufgegeben. Ja – «
»Es sei denn«, fuhr der T’lan Imass fort, »sie stellten eine Bedrohung für denjenigen dar, der sie in dieser Weise ausgenutzt hat. Wenn dem so wäre, würde die Antwort natürlich lauten, dass sie ausgelöscht werden, wenn sie ihm nichts mehr nützen.«
»Deine Worte klingen auf unerfreuliche Weise wahr – und das gefällt mir gar nicht, Onrack.«
»Ich neige grundsätzlich zu unerfreulichen Dingen, Trull Sengar.«
»Das merke ich gerade. Du sagst, die Seelen von zwei Schattenhunden sind in den Dingern gefangen – in welchen noch mal?«
»Wir gehen genau zwischen ihnen hindurch.«
»Ich frage mich, was sie wohl hier tun?«
»Der Stein ist geformt worden, sie zu umschließen, Trull Sengar. Zu dem Zeitpunkt, da das Sinnbild hergestellt wird, fragt niemand den Geist oder den Gott danach, ob es ihm gefällt, auf diese Weise … gefangen zu werden. Tun sie es? Das Bedürfnis, solche Hüllen zu schaffen, ist ein Bedürfnis der Sterblichen. Dass man die Augen auf das Ding richten kann, das man verehrt, ist im schlimmsten Fall der Versuch, Kontrolle zu erlangen, im besten Fall die Illusion, man könnte über sein eigenes Schicksal verhandeln.«
»Und du findest solche Vorstellungen ziemlich erbärmlich, Onrack?«
»Ich finde die meisten Vorstellungen ziemlich erbärmlich, Trull Sengar.«
»Glaubst du, diese Tiere sind für alle Ewigkeit gefangen? Ist dies der Ort, wo sie hingehen, wenn sie vernichtet werden?«
Onrack zuckte die Schultern. »Ich habe keine Lust auf solche Spielchen. Du verfügst über dein eigenes Wissen, hast deine eigenen Vermutungen, doch du willst sie nicht aussprechen.
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