SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Imass klar, dass das Tier nicht mehr über ihm war. Und er konnte auch die schweren Schritte nicht mehr durch die feuchte Luft hallen hören. Es war, als ob die beiden Hunde einfach verschwunden wären.
Dann ganz in der Nähe das Knirschen von Stiefeln, zwei Hände drehten ihn herum, legten ihn auf den Rücken.
Trull Sengar starrte auf ihn herunter. »Ich weiß nicht, ob du mich noch hören kannst«, murmelte er. »Aber falls es dir irgendeinen Trost bietet, Onrack von den Logros – das waren keine Schattenhunde. Oh nein, ganz und gar nicht. Das waren die echten. Die Hunde der Dunkelheit, mein Freund. Ich wage gar nicht, darüber nachzudenken, was du hier befreit hast …«
Onrack schaffte es zu antworten, seine Worte ein leises Krächzen. »So viel zum Thema Dankbarkeit.«
Trull Sengar zog den zerschmetterten T’lan Imass zu einer niedrigen Mauer am Rand der Ruinenstadt, an die er den Krieger in einer sitzenden Position anlehnte. »Ich wünschte, ich wüsste, was ich sonst noch für dich tun könnte«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
»Wenn meine Verwandten da wären«, sagte Onrack, »würden sie die notwendigen Riten vollziehen. Sie würden meinen Kopf von meinem Körper trennen und einen geeigneten Platz für ihn suchen, so dass ich die Ewigkeit überblicken kann. Sie würden den kopflosen Rumpf zerstückeln und die Glieder verstreuen. Sie würden meine Waffe nehmen und an den Ort meiner Geburt zurückbringen.«
»Oh.«
»Natürlich kannst du das alles nicht tun. Daher bin ich gezwungen weiterzumachen, trotz meiner gegenwärtigen Verfassung.« Mit diesen Worten richtete Onrack sich langsam auf, gebrochene Knochen knirschten und krachten, Splitter fielen zu Boden.
Trull grunzte. »Das hättest du auch tun können, bevor ich dich hierher geschleppt habe.«
»Am meisten bedauere ich den Verlust meines Arms«, sagte der T’lan Imass, während er die zerrissenen Muskelstränge an seiner linken Schulter betrachtete. »Mein Schwert hat doch am meisten Wirkung, wenn es beidhändig geführt wird.« Er stolperte hinüber zu der Stelle, wo die Waffe im Schlamm lag. Ein Teil seiner Brust fiel in sich zusammen, als er sich bückte, um das Schwert aufzuheben. Als Onrack sich wieder aufrichtete, blickte er Trull Sengar an. »Ich kann die Tore nicht mehr spüren.«
»Sie sollten eigentlich deutlich genug zu erkennen sein«, erwiderte der Tiste Edur. »Ich gehe davon aus, dass sie irgendwo im Zentrum der Stadt sind. Wir beide sind schon ein seltsames Paar, was?«
»Ich frage mich, warum die Hunde dich nicht getötet haben.«
»Sie schienen es ziemlich eilig gehabt zu haben, zu verschwinden.« Trull machte sich auf und begann die genau gegenüberliegende Straße entlangzugehen. Onrack folgte ihm. »Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie mich überhaupt bemerkt haben – die Staubwolke war sehr dicht. Sag mir eines, Onrack. Wenn andere T’lan Imass hier wären, dann hätten sie tatsächlich all diese Dinge mit dir gemacht? Trotz der Tatsache, dass du noch … funktionstüchtig bist?«
»Genau wie du, Trull Sengar, bin ich nun ein Ausgestoßener. Vom Ritual. Von meiner eigenen Art. Meine Existenz ist jetzt bedeutungslos. Die letzte Aufgabe, die mir noch bleibt, ist, die anderen Jäger aufzuspüren und zu tun, was getan werden muss.«
Die Straße war von einer dicken Schlammsschicht bedeckt. Die niedrigen, knapp über der Oberfläche abgerissenen Gebäude waren ähnlich überzogen, und jede Kante war abgerundet – als ob die Stadt schmolz. Es gab keine große Architektur, und es stellte sich heraus, dass der Schutt auf den Straßen hauptsächlich aus gebrannten Tonziegeln bestand. Es gab keinerlei Anzeichen von Leben.
Sie gingen weiter, quälend langsam. Die Straße wurde allmählich breiter, bildete jetzt einen ausladenden Fahrweg, der von Säulen flankiert wurde, auf denen einst Statuen gestanden hatten. Gestrüpp und entwurzelte Bäume nahmen ihnen die Aussicht, alles in einem gleichförmigen Grau, das unter der nun dominierenden blauen Sonne allmählich einen unirdischen bläulichen Schimmer annahm, während sie selbst einen großen Mond magentafarben anmalte.
Am fernen Ende befand sich eine Brücke, die früher einmal einen Fluss überspannt hatte, doch jetzt war alles voller Schlick. Eine verfilzte Masse aus Schutt hatte sich an der einen Seite der Brücke aufgestaut, und Strandgut war auf den Laufweg geschwemmt worden. Inmitten all des Unrats lag eine kleine Kiste.
Trull ging darauf zu,
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