SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
klar, dass die Schwere jenes Verrats sein Vorstellungsvermögen überstieg.
Ein Leichnam, der nie gefunden worden war. Keine Knochen, die zur Ruhe gebettet werden konnten.
»Da ist so viel«, brummte Tene Baralta, der an Gamets Seite ritt.
»Soviel?«
»Das einer Antwort bedarf, Gamet. Tatsächlich entreißt es der Kehle Worte, doch die Stille, die es zurücklässt – diese Stille schreit.«
Gamet, dem Tenes Eingeständnis Unbehagen bereitete, sagte nichts.
»Ich bitte Euch, erinnert mich daran«, fuhr die Rote Klinge fort, »dass Tavore dieser Aufgabe gewachsen ist.«
Ist das überhaupt möglich? »Sie ist es.« Sie muss es sein. Sonst sind wir verloren.
»Eines Tages werdet Ihr mir erzählen müssen, was sie getan hat, um sich eine solche Loyalität zu verdienen, wie Ihr sie an den Tag legt, Gamet.«
Bei den Göttern, was soll ich darauf antworten? Verdammt, Tene, könnt Ihr die Wahrheit denn nicht erkennen, die vor Eurer Nase liegt? Sie hat … nichts getan. Ich bitte Euch. Lasst einem alten Mann sein Vertrauen.
»Du kannst dir wünschen, was du willst«, knurrte Gesler, »aber Vertrauen ist etwas für Narren.«
Saiten räusperte sich, um den Staub aus der Kehle zu bekommen, und spuckte neben dem Pfad aus. Sie kamen nur quälend langsam voran, wobei die drei Trupps sich hinter dem Wagen herschleppten, der mit ihren Vorräten beladen war. »Um was geht es dir?«, fragte er den Sergeanten neben sich. »Ein Soldat kennt nur eine einzige Wahrheit und diese Wahrheit heißt: ohne Vertrauen bist du schon so gut wie tot. Vertrauen in den Soldaten an deiner Seite. Was aber noch wichtiger ist – und es spielt keine Rolle, dass es in Wirklichkeit eine Selbsttäuschung ist –, ist das Vertrauen darauf, dass du nicht getötet werden kannst. Diese beiden – und nur diese beiden – sind die Füße, auf denen jede Armee steht.«
Der Mann mit der bernsteinfarbenen Haut grunzte, deutete dann auf den nächsten der Bäume, die den Aren-Weg säumten. »Schau dir das da drüben an, und sag mir, was du siehst – nein, nicht die verdammten Fetische, die der Vermummte holen soll – sondern das, was unter all dem Zeug immer noch sichtbar ist. Die Löcher von den Nägeln, die dunklen Flecken von Galle und Blut. Frag den Geist des Soldaten, der an diesen Baum genagelt wurde – frag diesen Soldaten nach Vertrauen.«
»Auch wenn das Vertrauen missbraucht worden ist, kann das doch nicht die Vorstellung von Vertrauen an sich zerstören«, entgegnete Saiten. »Tatsächlich tut es genau das Gegenteil – «
»Das gilt vielleicht für dich, aber es gibt ein paar Dinge, über die man nicht einfach mit Worten und erhabenen Idealen hinweggehen kann, Fied. Und das bezieht sich auf die, die irgendwo da vorne bei der Vorhut ist. Die Mandata. Die gerade eine Auseinandersetzung mit einem Haufen ergrauter Wickaner verloren hat. Du hast Glück gehabt – du hattest Elster und Dujek. Willst du wissen, wer mein letzter Kommandant war – das heißt, bevor ich zur Küstentruppe strafversetzt wurde? Korbolo Dom. Ich könnte schwören, dass der Mann einen Schrein in seinem Zelt hatte, der Elster geweiht war – aber nicht dem Elster, den du kennst. Korbolo Dom hat ihn anders gesehen. Unerfülltes Potenzial – das hat er gesehen.«
Saiten warf Gesler einen Blick zu. Stürmisch und Starr marschierten im Gleichschritt hinter den beiden Sergeanten, nah genug, um alles zu hören, doch keiner der beiden hatte gewagt, einen Kommentar abzugeben oder seine Meinung zu äußern. »Unerfülltes Potenzial? Wovon redest du da, in Berus Namen?«
»Nicht ich. Korbolo Dom. ›Wenn der elende Kerl doch nur hart genug gewesen wäre‹, pflegte er zu sagen, ›hätte er sich den verdammten Thron nehmen können. Er hätte es tun müssen.‹ Was Korbolo Dom betrifft, hat Elster ihn betrogen, hat er uns alle betrogen – und das ist etwas, das dieser abtrünnige Napanese ihm niemals verzeihen wird.«
»Pech für ihn«, brummte Saiten, »denn die Chancen stehen gut, dass die Imperatrix die ganze Genabackis-Armee rechtzeitig zur entscheidenden Schlacht hier rüberschickt. Dann kann Dom seine Beschwerden ja Elster persönlich vortragen.«
»Eine erfreuliche Vorstellung.« Gesler lachte. »Aber worauf ich hinauswollte: du hattest Kommandanten, die sich des Vertrauens würdig erwiesen haben, das du in sie gesetzt hast. Die meisten von uns hatten einen solchen Luxus nicht. Und deshalb haben wir ein unterschiedliches Gefühl bei der ganzen Sache. Das ist alles,
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