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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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versunken in blutverschmiertem Abwasser. Karsa wurde ans hinterste Ende gebracht, außerhalb der Reichweite der anderen Sklaven, und an beiden Handgelenken und Knöcheln angekettet – während bei allen anderen offenbar eine einzelne Kette ausreichte, wie er sah.
    Dann ließen sie ihn allein.
    Fliegen umschwärmten ihn und setzten sich auf seine kühle Haut. Er lag auf der schrägen Böschung auf der Seite. Die Wunde, in der noch immer die Pfeilspitze steckte, drohte sich zu schließen, und das musste er unbedingt verhindern. Er schloss die Augen und konzentrierte sich, bis er jeden einzelnen zerschnittenen, zerfetzten und blutenden Muskel um die eiserne Spitze herum spüren konnte. Dann begann er mit ihnen zu arbeiten, zog sie ein winziges bisschen zusammen, um die genaue Lage der Pfeilspitze herauszufinden, kämpfte dabei gegen die pulsierenden Wogen des Schmerzes an, die bei jedem neuerlichen Anspannen über ihn hinwegfluteten. Nach ein paar Augenblicken hörte er auf, entspannte seinen Körper und holte tief Luft, bis er sich von den Anstrengungen erholt hatte. Die abgeflachte eiserne Spitze lag fast parallel zu seinem Schulterblatt. Sie hatte eine Furche in den Knochen gegraben, und ihre Widerhaken waren völlig verbogen und verdreht.
    Wenn sie in seinem Körper blieb, würde sie seinen linken Arm unbrauchbar machen. Er musste sie hinaustreiben.
    Er konzentrierte sich erneut. Zerrissene Muskeln und Gewebe, ein Pfad durch zerhacktes, zerfetztes Fleisch.
    Ihm brach am ganzen Körper der Schweiß aus, als er sich weiter konzentrierte, sich auf das vorbereitete, was kommen würde, langsam und gleichmäßig atmete.
    Er zog seine Muskeln zusammen. Ein abgerissener Schrei kam ihm über die Lippen. Ein weiterer Blutschwall, dazu unbarmherzige Schmerzen. Seine Muskeln krampften sich zuckend zusammen. Etwas fiel auf die Lehmböschung und rutschte hinunter ins Abwasser.
    Keuchend und zitternd blieb Karsa Orlong lange Zeit vollkommen reglos liegen. Der Blutstrom, der seinen Rücken hinabrann, wurde dünner und versiegte schließlich ganz.
    »Führe mich, Kriegsführer!«
    Bairoth Gild hatte aus diesen Worten einen Fluch gemacht, auf eine Weise und als Folge eines Gedankengangs, den Karsa nicht verstehen konnte. Andererseits war Bairoth Gild vollkommen sinnlos gestorben. Nichts, was die Tiefländer tun konnten, würde die Uryd je bedrohen, denn die Uryd waren nicht wie die Sunyd. Bairoth hatte die Chance vergeben, sich eines Tages zu rächen – eine Geste, die für Karsa so verwirrend war, dass sie ihn betäubte.
    Ein brutaler, wissender Schimmer in Bairoths Augen, die sich einzig und allein auf Karsa geheftet hatten, auch dann noch, als die blitzende Klinge seinen Hals schon fast erreicht hatte. Er hatte den Tiefländern nichts erzählen wollen, doch diese Art von Widerstand war ohne Bedeutung – oh, nein, sie hatte eine Bedeutung … denn Bairoth hat sich entschieden, mich im Stich zu lassen.
    Ein plötzlicher Schauder überlief ihn. Urugal, haben meine Brüder mich verraten? Delum Thords Flucht, Bairoth Gilds Tod – soll ich wieder und wieder erleben, wie es ist, verlassen zu werden? Was ist mit den Uryd, die auf meine Rückkehr warten? Werden sie mir überhaupt folgen, wenn ich den Tiefländern den Krieg erkläre?
    Vielleicht nicht gleich zu Anfang. Nein, wurde ihm klar, es würde Auseinandersetzungen geben und die unterschiedlichsten Meinungen, und die Alten würden um die Feuerstellen des Lagers herumsitzen, mit Stöcken im schwelenden Feuer herumstochern und die Köpfe schütteln.
    Bis sich die Nachricht verbreiten würde, dass die Armeen der Tiefländer im Anmarsch waren.
    Dann werden sie keine andere Wahl mehr haben. Werden wir in den Schoß der Phalyd fliehen? Nein. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zu kämpfen, und alle werden dann auf mich sehen, auf Karsa Orlong, damit ich die Uryd führe.
    Der Gedanke beruhigte ihn.
    Er rollte sich langsam herum, blinzelte ins Zwielicht; Fliegen schwirrten um sein Gesicht.
    Er musste einige Zeit im Schlamm herumtasten, bis er die Pfeilspitze mit dem Stückchen abgebrochenen Schaft gefunden hatte. Dann kauerte er sich neben den Baumstamm, um die Beschläge zu untersuchen, an denen die Ketten befestigt waren.
    Es gab zwei Sätze von Ketten, einen für seine Arme und einen für seine Beine; sämtliche Ketten waren an einem langen eisernen Stab befestigt, der durch den Baumstamm getrieben und dessen Ende auf der anderen Seite flach geklopft worden war. Die

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