SdG 07 - Das Haus der Ketten
über den Flammen drehte. »Und sie streben immer nach Gleichgewicht. Dies reicht natürlich über die Götter hinaus – es ist der Gang des Seins –, aber nein, es reicht auch darüber hinaus, denn diesem Dasein steht das Vergessen gegenüber. Es ist ein Kampf, der alles umfasst, der jede Insel im Abgrund prägt. Zumindest glaube ich das mittlerweile. Das Leben findet seine Entgegnung im Tod. Das Dunkel im Licht. Der überwältigende Erfolg findet sie im katastrophalen Fehlschlag. Schreckliche Flüche finden sie in atemberaubendem Segen. Es scheint eine Neigung aller denkenden Wesen zu sein, diese Tatsache aus dem Blick zu verlieren, besonders, wenn sie durch einen Triumph nach dem anderen geblendet werden. Seht doch nur dieses kleine Feuer hier. Ein bescheidener Sieg … aber wenn ich es nähre, antworte ich auf mein eigenes begieriges Entzücken, bis diese ganze Ebene in Flammen steht, dann der Wald, dann die ganze Welt. Also ist es Klugheit … diese Flammen zu ersticken, sobald das Fleisch gar ist. Die ganze Welt in Flammen zu setzen würde schließlich auch alles töten, das auf ihr ist, denn alles, was nicht in den Flammen sterben würde, würde schon bald verhungern. Verstehst du, was ich meine, Monok Ochem?«
»Nein, das tue ich nicht, Trull Sengar. Das leitet gar nichts ein.«
Onrack meldete sich zu Wort. »Du hast Unrecht, Monok Ochem. Es leitet … alles ein.«
Trull Sengar warf ihm einen Blick zu und antwortete ihm mit einem Lächeln.
Einem Lächeln von überwältigender Traurigkeit. Von entsetzlicher … Hoffnungslosigkeit.
Der untote Krieger war erschüttert.
Eine Folge von Höhenzügen bänderte die Landschaft und schien langsam zusammenzuschmelzen, als immer mehr Sand vom Himmel sank.
»Schon bald werden diese Hügelrücken wieder unter Dünen verschwinden«, murmelte Perl.
Lostara zuckte die Schultern. »Wir vergeuden nur Zeit«, sagte sie und setzte sich in Richtung des ersten Höhenzugs in Bewegung. Die Luft war mit zu Boden sinkendem Staub und Sand gesättigt, der in den Augen brannte und die Kehle ausdörrte. Doch dieser Schleier sorgte auch dafür, dass die Sichtweite eingeschränkt war, was es reichlich unwahrscheinlich machte, dass sie entdeckt wurden. Der plötzliche Zusammenbruch der Mauer des Wirbelwinds deutete darauf hin, dass die Mandata und ihre Armee die Raraku erreicht hatten, dass sie in genau diesem Augenblick auf die Oase zumarschierten. Lostara ging davon aus, dass – wenn überhaupt – nur einige wenige Kundschafter die nordöstlichen Zugänge überwachen würden.
Perl hatte verkündet, dass es nun sicher sei, tagsüber zu reisen. Die Göttin hatte sich zurückgezogen, sammelte ihre Macht für einen vielleicht endgültigen, explosiven Ausbruch. Für das Aufeinandertreffen mit der Mandata. All ihr Trachten war beherrscht von ihrer Wut, ausschließlich auf ein einziges Ziel gerichtet – eine Schwäche, die man ausnutzen konnte.
Bei diesem Gedanken gestattete Lostara sich ein heimliches Lächeln. Schwächen. An denen mangelt es in dieser Gegend wahrlich nicht. Der Augenblick wilder Leidenschaft war vorüber, soweit es sie betraf. Das Freiwerden lang aufgestauter Energien – nun, da es vorüber war, konnten sie sich wieder auf andere Dinge konzentrieren. Wichtigere Dinge. Allerdings schien Perl das anders zu sehen. Er hatte heute Morgen sogar versucht, ihre Hand zu nehmen, eine Geste, die sie entschieden zurückgewiesen hatte, obwohl etwas Mitleid Erregendes darin gewesen war. Der tödliche Assassine war kurz davor, sich in ein sich windendes Hündchen zu verwandeln - Abscheu drohte sie zu überwältigen, daher lenkte sie ihre Gedanken in eine andere Richtung.
Die Zeit wurde allmählich knapp, ganz zu schweigen davon, dass es ihnen an Essen und Wasser mangelte. Die Raraku war ein feindseliges Land, grollte jedwedem Leben, das es wagte, sie auszubeuten. Die Raraku ist ganz und gar nicht heilig, sondern verflucht. Sie verschlingt Träume und zerstört Wünsche. Und warum auch nicht? Schließlich ist sie eine verdammte Wüste.
Sie krabbelten über kleine und große Steine und erreichten den ersten Grat.
»Wir sind schon ziemlich nah«, sagte Perl, der blinzelnd nach vorn blickte. »Wenn wir die höher gelegene Terrasse da vorn hinter uns haben, sollten wir die Oase sehen können.«
»Und was dann?«, fragte sie und klopfte sich den Staub aus den zerschlissenen Kleidern.
»Nun, es wäre nachlässig von mir, unsere Position nicht zu unserem Vorteil zu nutzen –
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