SdG 07 - Das Haus der Ketten
versuchst.«
»Du denkst zu viel, Perl. Das ist dein lästigster Fehler, und – seien wir einmal ehrlich – angesichts der Schwere und der schieren Anzahl deiner Fehler will das schon einiges heißen. Da dies die Zeit für gute Ratschläge zu sein scheint, gebe ich dir auch einen: Verzichte einfach ganz aufs Denken.«
»Und wie soll ich das tun? Vielleicht deinem Beispiel folgen?«
»Ich denke weder zu viel noch zu wenig. Ich bin perfekt im Gleichgewicht – genau das findest du ja so anziehend. Du bist wie eine Kapmotte, die zum Feuer gezogen wird.«
»Dann laufe ich also Gefahr zu verbrennen?«
»Zu einem geschwärzten, schrumpeligen Etwas.«
»Und daher stößt du mich zu meinem eigenen Wohl zurück. Es ist also eine Geste des Mitleids.«
»Feuer stoßen weder zurück noch ziehen sie an. Sie existieren einfach, mitleidslos, gleichgültig gegenüber dem selbstmörderischen Drang fliegender Insekten. Das ist ein weiterer Fehler von dir, Perl. Du vermutest Gefühle, wo es keine gibt.«
»Ich hätte schwören können, dass da Gefühle waren, vor zwei Nächten – «
»Oh, jedes Feuer brennt wild, wenn es genährt wird – «
»Und am Morgen ist nichts als kalte Asche übrig.«
»Du fängst allmählich an, es zu kapieren. Natürlich wirst du das als Ermutigung betrachten und versuchen, noch mehr zu verstehen. Aber das wäre reine Zeitverschwendung, daher schlage ich vor, dass du es sein lässt. Sei mit dem Glimmen zufrieden, Perl.«
»Ich verstehe … ein wenig. Also gut, ich werde deine Liste von Ratschlägen beherzigen.«
»Wirst du das? Leichtgläubigkeit ist ein Fehler, der ganz und gar nicht attraktiv wirkt, Perl.«
Sie hatte gedacht, er würde aufschreien, und war beeindruckt von seiner Beherrschung; er stieß den Atem so aus, als würde Dampf unter dem Deckel eines Kessels herausströmen, bis der Druck nachließ.
Sie näherten sich dem Aufstieg zum letzten Grat. Lostara war – was den Tag bisher betraf – höchst zufrieden mit sich, während Perl wahrscheinlich das Gegenteil empfand.
Als sie den Kamm erreichten, sprach die Klaue erneut. »Was hast du bei dem letzten Höhenzug aufgehoben, Schätzchen?«
Dann hast du das also gesehen? »Einen glänzenden Stein. Ist mir ins Auge gefallen. Aber ich habe ihn schon wieder weggeworfen.«
»Ach? Dann verbirgt er sich also nicht mehr in der Tasche an deinem Gürtel?«
Schnaubend machte sie die lederne Tasche von ihrem Gürtel los und warf sie zu Boden, zog dann ihre gepanzerten Handschuhe heraus. »Schau doch selbst nach.«
Er warf ihr einen überraschten Blick zu, beugte sich dann vor, um die Tasche aufzuheben.
Als er sich wieder aufrichtete, trat Lostara vor.
Ihre Panzerhandschuhe krachten hart gegen Perls Schläfe.
Mit einem Ächzen brach er bewusstlos zusammen.
»Idiot«, murmelte sie und nahm die Tasche wieder an sich.
Sie zog die gepanzerten Handschuhe an, hob anschließend den Bewusstlosen mit einem Grunzen hoch und legte ihn sich über die Schulter.
Keine zweitausend Schritt vor ihr lag die Oase. Die Luft darüber war von Staubschwaden und dem Rauch zahlloser Feuer geschwängert. An den Rändern waren Ziegenherden im Schatten der Bäume zu sehen. Die Überreste einer Mauer erstreckten sich in einem groben Bogen in beide Richtungen.
Immer noch mit Perl auf der Schulter, machte sich Lostara an den Abstieg. Sie hatte den Fuß des Hangs fast erreicht, als sie zu ihrer Rechten Hufgetrappel hörte. Sofort kauerte sie sich hin, ließ Perl neben sich zu Boden fallen, und kurz darauf ritt ein Dutzend Wüstenkrieger in ihr Blickfeld. Sie kamen aus Nordwesten. Ihre Tiere sahen halb verhungert aus und ließen die Köpfe hängen – und sie hatten zwei Gefangene dabei.
Trotz des Staubs, der die Männer bedeckte, und der Düsternis des hereinbrechenden Abends konnte Lostara die Überreste der Uniformen der beiden Gefangenen erkennen. Malazaner. Vom Ashok-Regiment. Ich dachte, die wären ausgelöscht worden.
Die Krieger hatten keine Vorreiter ausgeschickt und verringerten ihren gleichmäßigen, leichten Galopp nicht, bis sie die Oase erreichten, wo sie unter den lederblättrigen Zweigen der Bäume verschwanden.
Lostara blickte sich um und kam zu dem Schluss, dass die Umgebung, in der sie sich zurzeit befand, sich hervorragend dafür eignete, gleich an Ort und Stelle die Nacht zu verbringen. Eine flache Senke auf der windabgewandten Seite des Hangs. Wenn sie sich flach hinlegte, würde sie nur vom Kamm aus zu sehen sein, und selbst das war
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