SdG 07 - Das Haus der Ketten
ich sollte in der Lage sein, mich ins Lager zu schleichen und ein bisschen für Ärger zu sorgen. Außerdem«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, »führt eine der Spuren, die ich verfolge, ins Herz der Rebellenarmee.«
Die Krallen. Der Meister jenes wiederbelebten Kults. »Bist du dir dessen so sicher?«
Er nickte, ließ dann ein halbes Schulterzucken folgen. »Ziemlich. Ich bin mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass die Rebellion schon vor langer Zeit missbraucht wurde, vielleicht von Anfang an. Dass das Ziel, dem Reich der Sieben Städte die Unabhängigkeit zu verschaffen, für einige nicht die zentrale Bedeutung hatte, die es hätte haben sollen, und dass diese verborgenen Motive schon bald zum Vorschein kommen werden.«
»Und du kannst es dir einfach nicht vorstellen, dass es zu diesen Enthüllungen kommen könnte, ohne dass du dabei die Hand im Spiel hast.«
Er blickte sie an. »Meine Liebe, du vergisst, dass ich ein Agent des malazanischen Imperiums bin. Ich habe gewisse Verantwortlichkeiten …«
Ihr Blick fiel auf einen Gegenstand, der mitten zwischen den kleinen Steinchen lag – ein kurzer Moment der Erkenntnis, und sie wandte den Blick schnell ab. Musterte stattdessen den trüben Himmel. »Ist es dir noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass deine Ankunft vielleicht auch Operationen gefährden könnte, die bereits im Lager der Rebellen stattfinden? Die Imperatrix weiß nicht, dass du hier bist. Sogar die Mandata wird glauben, dass wir weit weg von hier sind.«
»Ich bin nicht unzufrieden damit, nur eine Nebenrolle zu spielen – «
Lostara schnaubte.
»Nun«, fügte er hinzu, »so eine Rolle ist nicht gänzlich zu verachten. Ich kann gut damit leben.«
Lügner. Sie ließ sich auf ein Knie nieder, um die Beinschienen zurechtzurücken, die an ihren lederumhüllten Schienbeinen befestigt waren. »Eigentlich müssten wir es noch vor Sonnenuntergang bis zu der Terrasse schaffen.«
»Einverstanden.«
Lostara stand wieder auf.
Sie gingen den mit größeren und kleineren Felsbrocken gesprenkelten Abhang hinunter. Der Boden war mit den winzigen, verschrumpelten Kadavern zahlloser Wüstenkreaturen übersät, die in den Wirbelwind hochgerissen worden und in dem grenzenlosen Sturm gestorben waren, weiter in dem Luftwirbel geschwebt hatten und erst wieder zur Erde gefallen waren, als der Wind plötzlich erstorben war. Einen ganzen Tag lang waren sie herabgeregnet, hatten die leeren Hüllen überall um sie herum geklappert und geknirscht, waren auf ihren Helm geprasselt und von ihren Schultern abgeprallt. Größtenteils Rhizan, Kapmotten und andere kleine Kreaturen, obwohl gelegentlich auch etwas Größeres zu Boden gekracht war. Lostara war dankbar, dass der Niederschlag aufgehört hatte.
»Der Wirbelwind ist nicht gerade freundlich mit der Raraku umgesprungen«, kommentierte Perl, während er den Kadaver eines jungen Bhok’aral zur Seite kickte.
»Selbst unter der Annahme, dass es die Wüste auf die eine oder andere Art kümmert – was es nicht tut –, bezweifle ich, dass es auf lange Sicht irgendeinen Unterschied bedeuten wird. Die Lebensdauer eines Landes ist weit größer als die all der Dinge, mit denen wir vertraut sind, viel, viel größer als die Lebensspanne dieser unglücklichen Kreaturen. Außerdem ist die Raraku sowieso schon größtenteils tot.«
»Der äußere Schein kann trügen. Es gibt verborgene Geister in dieser Heiligen Wüste, Schätzchen. Tief in den Felsen vergraben – «
»Und das Leben auf diesen Felsen bedeutet besagten Geistern genauso wenig wie der Sand«, erklärte Lostara. »Du bist ein Narr, wenn du etwas anderes glaubst, Perl.«
»Ich bin ein Narr, weil ich viele Dinge glaube«, murmelte Perl.
»Erwarte jetzt nicht von mir, dass ich dieser Bemerkung widerspreche.«
»Es ist mir niemals in den Sinn gekommen, dass du das tun könntest, Lostara. Nichtsdestotrotz würde ich dir raten, dich auf alle Fälle eines gesunden Respekts zu befleißigen, was die Geheimnisse der Raraku betrifft. Man lässt sich viel zu leicht von dieser scheinbar leeren, leblosen Wüste täuschen.«
»Wie wir bereits festgestellt haben.«
Er runzelte die Stirn und seufzte dann. »Ich bedaure, dass du die Dinge … auf diese Weise siehst, und ich kann daraus nur schließen, dass du eine absonderliche Befriedigung aus einer Übellaunigkeit ziehst, die du, wenn es sie einmal nicht gibt – oder genauer, wenn es gerade keinen Grund dafür gibt- , künstlich zu erzeugen
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