SdG 07 - Das Haus der Ketten
gekannt habt – vielleicht nicht auf sonderlich erfreuliche Weise, aber es war trotzdem so. Aber jenes sterbliche Kind wird bald nicht mehr sein. Während wir hier miteinander sprechen, steht die Göttin kurz davor, ihre Seele zu verschlingen – und wenn das geschehen ist, wird es keine Umkehr mehr geben. Das junge malazanische Mädchen, das Ihr einst gekannt habt, wird nicht mehr existieren. Wenn ich also zu Sha’ik gehe, gehe ich nicht zu dem Kind, sondern zu der Göttin.«
»Aber warum? Steht Ihr der Idee der Apokalypse tatsächlich loyal gegenüber? Der Idee von Chaos und Vernichtung?«
»Nein. Ich habe etwas anderes im Sinn. Ich muss mit der Göttin sprechen – bevor sie Sha’iks Seele raubt.«
Heboric starrte den Hohemagier mehrere Herzschläge lang an, versuchte zu ergründen, was L’oric von der rachsüchtigen, wahnsinnigen Göttin wollte.
»Es gibt zwei Felisins«, murmelte L’oric mit halb geschlossenen Augenlidern. »Rettet diejenige, die Ihr retten könnt, Heboric Leichte Hand.«
»Eines Tages werde ich herausfinden, wer Ihr wirklich seid, L’oric«, knurrte Heboric.
Der Hohemagier lächelte. »Ihr werdet eine schlichte Wahrheit finden – ich bin ein Sohn, der längst die Hoffnung aufgegeben hat, jemals die Schuhe seines Vaters ausfüllen zu können. Das allein wird beizeiten alles erklären, was Ihr von mir wissen müsst. Geht, Destriant. Und passt gut auf sie auf.«
Geister, von deren Rüstung roter Staub wehte, wandten sich um und salutierten, als Karsa Orlong an ihnen vorbeihumpelte. Zumindest sind die hier nicht in Ketten, dachte er teilnahmslos.
Die Blutspur hatte ihn in ein Labyrinth aus Ruinen geführt, einen unbenutzten Teil der Stadt, der für seine Keller, Fallgruben und sich bedenklich neigenden Wände berüchtigt war. Er konnte das Tier riechen. Es war nah und fühlte sich – wie er vermutete – in die Enge getrieben.
Oder, was wahrscheinlicher war, es hatte sich entschlossen, sich zu stellen, an einem Ort, der bestens für einen Hinterhalt geeignet war.
Wenn nur das langsame, gleichmäßige Tröpfeln von Blut sein Versteck nicht verraten hätte.
Karsa richtete den Blick absichtlich nicht auf das fünf Schritt voraus zu seiner Rechten liegende Gässchen voller tintiger Schatten. Er ließ seine Schritte unsicher werden, ungleichmäßig durch Schmerzen und Zögern, und es war nicht alles vorgetäuscht. Das Blut zwischen seinen Händen und dem Schwertgriff hatte zu trocknen begonnen, doch noch immer drohte es seinen Griff um die Waffe unsicherer als sonst zu machen.
Schatten zerfetzten die Dunkelheit, als ob die beiden Elementarkräfte gegeneinander Krieg führten, wobei die Letztere zurückgedrängt wurde. Karsa wurde klar, dass bald die Morgendämmerung heraufziehen würde.
Er erreichte die Mündung der Gasse.
Und der Hund griff an.
Karsa machte einen Satz vorwärts, drehte sich in der Luft und schwang sein Schwert mit beiden Händen, ließ es einen weiten Bogen durch die Luft beschreiben.
Die Spitze ritzte Haut auf, doch das Tier war von dem Schwung seines eigenen Angriffs bereits vorbeigetragen worden. Es landete auf einem Vorderbein, das unter ihm wegrutschte. Der Hund fiel auf eine Schulter und rollte sich ab.
Karsa rappelte sich auf, um sich ihm zu stellen.
Das Tier duckte sich und machte sich bereit, um erneut anzugreifen.
Das Pferd, das aus einer Seitengasse geschossen kam, überraschte Toblakai ebenso wie den Hund. Dass das von Panik erfüllte Tier blind drauflos geprescht sein musste, wurde offensichtlich, als es mit dem Hund zusammenstieß.
Zwei Reiter hatten auf dem Pferd gesessen, und beide wurden aus dem Sattel über den Hund hinweggeschleudert.
Der Aufprall hatte den Hund unter die wild stampfenden Hufe gebracht. Irgendwie schaffte es das Pferd, auf den Beinen zu bleiben, mit stolpernden Schritten dem Gewühl zu entkommen, wobei es laut aufkeuchte, als wollte es den Atem tief in die stechende Lunge ziehen. Hinter ihm kratzten die Klauen des Hundes über die Pflastersteine, als er ebenfalls darum kämpfte, wieder auf die Beine zu kommen.
Mit einem wütenden Knurren warf sich Karsa vorwärts und rammte dem Tier die Schwertspitze in den Hals.
Es jaulte auf und drängte sich dem Toblakai entgegen.
Karsa machte einen Satz rückwärts, sein Schwert hinter sich herziehend.
Während Blut aus dem Loch in seiner Kehle strömte, richtete der Hund sich auf seinen drei Beinen auf; er pendelte hin und her, sein Kopf schwankte, während er roten Speichel
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