SdG 07 - Das Haus der Ketten
Hügelkuppe zu, auf der Sha’ik ihren Vorposten eingerichtet hatte, um die bevorstehende Schlacht zu beobachten. Dem Hohemagier taten sämtliche Knochen weh, die er im Leibe hatte. Seine Muskeln brüllten bei jedem Schritt vor Schmerz auf.
Er betete darum, dass sie da war.
Betete, dass die Göttin sich herablassen würde, seine Worte zu hören, seine Warnung … und schließlich sein Angebot.
Alles schwebte am Scheitelpunkt. Die Dunkelheit war geschlagen worden … irgendwie. Er wunderte sich darüber, aber nicht lange – für solch müßige Überlegungen war jetzt keine Zeit. Dieses gequälte Bruchstück von Kurald Emurlahn erwachte, und die Göttin würde bald eintreffen, um es für sich zu beanspruchen. Um einen Thron zu erschaffen. Um die Raraku zu verschlingen.
Noch immer wirbelten Geister in den Schatten, Krieger und Soldaten aus Dutzenden längst untergegangener Zivilisationen. Sie schwangen merkwürdige Waffen, ihre Körper waren unter merkwürdigen Rüstungen verborgen, ihre Gesichter wurden dankenswerterweise von reich verzierten Visieren verdeckt. Sie sangen, obwohl das Lied des Tanno Geistergängers allmählich nachdenklich und so traurig geworden war wie das leise Seufzen des Windes. Es hatte angefangen, anzuschwellen und wieder abzuebben, ein Säuseln, das L’oric einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Für wen werden sie kämpfen? Warum sind sie überhaupt hier? Was wollen sie?
Das Lied gehörte den Brückenverbrennern. Doch es schien, als hätte die Heilige Wüste es sich selbst angeeignet, als hätte sie diese Vielzahl ätherischer Stimmen aufgenommen. Und alle Seelen, die im Lauf der gewaltigen Geschichte in einer Schlacht gefallen waren, wurden jetzt an diesem Ort versammelt.
Der Scheitelpunkt.
Er kam an den Fuß des Pfads, der zu Sha’iks Hügel hochführte. Da und dort kauerten Wüstenkrieger; sie hatten sich in ihre ockerfarbenen Telabas gehüllt und reckten die Speere nach oben, deren Spitzen in den über den östlichen Horizont hereinfallenden Sonnenstrahlen taufeucht glitzerten. Kompanien aus Mathoks leichter Reiterei formierten sich auf der ebenen Fläche rechts von L’oric. Die Pferde waren unruhig, die Reihen bewegten sich ungleichmäßig und ruhelos. Der Hohemagier konnte Mathok nirgendwo sehen, und – wie er schaudernd feststellte – auch keine Standarten des Stamms des Kriegshäuptlings.
Er hörte Hufgetrappel hinter sich und drehte sich um. Leoman, einer seiner Offiziere und Karsa kamen auf ihn zugeritten.
Das Pferd des Toblakai war ein Jhag-Pferd, wie L’oric sah; groß und herrlich in seiner ursprünglichen Wildheit, galoppierte es doch versammelt – und der Riese auf seinem Rücken passte perfekt zu seinem Reittier.
Und dieser Riese sah schrecklich aus. Übernatürliche Heilung musste seine schrecklichen Wunden erst noch richtig versorgen. Seine Hände waren eine blutig rote Masse. Ein Bein war von grausamen, übergroßen Kiefern angekaut worden.
Toblakai und sein Pferd zogen zwei Gegenstände hinter sich her, die am Ende von Ketten auf und ab hüpften und hin und her rollten. L’orics Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, worum es sich dabei handelte.
Er hat die Deragoth getötet. Hat ihre Köpfe mitgenommen.
»L’oric!«, rief Leoman krächzend, während er sein Pferd vor ihm zügelte. »Ist sie da oben?«
»Ich weiß es nicht, Leoman von den Dreschflegeln.«
Alle drei stiegen ab, und L’oric sah, dass Toblakai sein verletztes Bein schonte. Das war das Gebiss eines Hundes. Und dann sah er das Steinschwert auf dem Rücken des Riesen. Oh, dann ist er also tatsächlich derjenige. Ich glaube, der Verkrüppelte Gott hat einen schrecklichen Fehler gemacht …
Bei den Göttern, er hat die Deragoth getötet.
»Wo versteckt sich Febryl?«, fragte Leoman, als sie alle vier mit dem Aufstieg begannen.
»Er ist tot.« Die Antwort war von Toblakai gekommen, der nun fortfuhr: »Ich habe vergessen, dir etwas zu sagen. Ich habe ihn getötet. Und ich habe Bidithal getötet. Ich hätte auch Geisterhand und Korbolo Dom getötet, doch ich konnte sie nicht finden.«
L’oric rieb sich mit einer Hand über die Stirn, und als er sie zurückzog, war sie feucht und schmierig. Doch er konnte noch immer seinen Atem sehen.
Toblakai erzählte unerbittlich weiter. »Und als ich in Korbolo Doms Zelt gegangen bin, habe ich Kamist Reloe gefunden. Er ist ermordet worden. Genau wie Henaras.«
L’oric schüttelte sich und sagte zu Leoman: »Habt Ihr Sha’iks letzte
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