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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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werden, und seine Kameraden würden nichts hören. Und sie würden auch nicht umkehren, um seine Leiche zu holen. Das Geschenk musste überbracht werden.
    Trull rannte weiter, suchte pausenlos die Landschaft links und rechts von sich ab, wandte gelegentlich den Kopf, um nach hinten zu blicken, obwohl er nichts als blasses Weiß sah. Der rhythmisch wiederkehrende, stechende Schmerz in seinem Knie durchdrang schneidend eine wachsende, tödliche Mattigkeit, die einsickernde Erschöpfung verlangsamte das Zittern unter seinen Pelzen und zerrte an seinen Gliedern.
    Die Ankunft der Morgendämmerung wurde von einem trägen, zögernden Zurückweichen der alles durchdringenden Düsternis angekündigt – die Gewalt des Schneesturms veränderte sich ebensowenig wie die Temperaturen. Trull hatte seine Wachsamkeit aufgegeben. Er rannte einfach nur noch weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, seine mit Eis überzogenen Mokassins waren alles, was er noch im Blick hatte. Seine Hände waren in den Handschuhen merkwürdig warm geworden, eine entfernte Wärme, die sich irgendwo hinter seinen Handgelenken sammelte. Irgendetwas daran beunruhigte ihn ein wenig.
    Der Hunger war verschwunden, genau wie die Schmerzen in seinem Knie.
    Ein prickelndes Unbehagen, und Trull blickte auf.
    Die Schlitten waren nirgendwo zu sehen. Keuchend sog er die bittere Luft in die Lunge, verlangsamte seine Schritte, blinzelte, als er versuchte, durch die Eiskristalle in seinen Wimpern zu sehen. Das gedämpfte Tageslicht verblasste. Er war den ganzen Tag lang gerannt, hirnlos wie ein Mühlstein, und eine weitere Nacht war nicht mehr fern. Und er hatte sich verirrt.
    Trull ließ den Speer fallen. Er schrie vor Schmerz auf, als er die Arme schwenkte und versuchte, mehr Blut in seine kalten, steifen Muskeln zu pumpen. Er krümmte seine Finger in den Handschuhen zu Fäusten und war entsetzt, als ihm das kaum gelingen wollte. Die Wärme wurde wärmer, dann heiß, und schließlich brannte es, als hielte er seine Finger in ein Feuer. Er kämpfte gegen die Agonie an, schlug sich mit den Fäusten gegen die Oberschenkel, spannte sie trotz der Wogen aus brennendem Schmerz immer wieder an.
    Er war von Weiß umgeben, als wäre die wirkliche Welt weggekratzt worden, als sei sie von Schnee und Wind abgetragen und dem Vergessen überantwortet worden. Entsetzen meldete sich flüsternd in seinem Verstand, denn er spürte, dass er nicht allein war.
    Trull hob den Speer wieder auf. Er musterte den wirbelnden Schnee auf allen Seiten. Eine Richtung schien ein wenig dunkler zu sein als alle anderen – Osten –, und er stellte fest, dass er genau nach Westen gerannt war. Dass er der unsichtbaren Sonne gefolgt war. Und jetzt musste er sich nach Süden wenden.
    Bis seine Verfolger des Spiels müde wurden.
    Er setzte sich wieder in Bewegung.
    Hundert Schritt. Er warf einen Blick zurück – und sah zwei Wölfe aus dem wirbelnden Schnee auftauchen. Trull blieb stehen und drehte sich um. Die Tiere verschwanden wieder.
    Mit hämmerndem Herzen zog Trull sein Langschwert und rammte es mit der Spitze voran in den festgebackenen Schnee. Dann ging er sechs Schritte zurück und machte seinen Speer bereit.
    Sie kamen wieder, und dieses Mal griffen sie an.
    Er hatte gerade noch Zeit, seinen Speer auf dem Boden abzustützen und sich auf ein Knie sinken zu lassen, ehe das erste Tier bei ihm war. Der Speerschaft bog sich, als die stählerne Spitze sich genau in das Brustbein bohrte. Der Knochen und das Schwarzholz brachen gleichzeitig, und dann war es, als prallte ein Felsbrocken gegen ihn, der ihn rücklings durch die Luft schleuderte. Er landete auf seiner linken Schulter und rollte sich in einer Wolke aus Schneestaub ab. Während er sich überschlug, erhaschte er einen Blick auf seinen linken Unterarm; von den schwarzen Splittern, die darin steckten, tropfte Blut. Schließlich stieß er gegen sein Langschwert und kam zum Halten.
    Trull riss es aus dem Schnee und richtete sich halb auf, während er sich umdrehte.
    Eine Masse aus weißem Fell mit weit aufgerissenen schwarzen Lefzen kam rasend schnell auf ihn zu.
    Laut aufbrüllend schlug Trull horizontal mit dem Schwert zu und fiel hin, nachdem er den verzweifelten Hieb geführt hatte.
    Die stählerne Schneide glitt durch Knochen, erst die einen, dann die anderen.
    Der Wolf fiel auf ihn, die Vorderpfoten auf halber Höhe abgetrennt. Blut schoss aus den Stümpfen.
    Zähne schlossen sich in schnappendem Wahnsinn um seine Klinge- Trull trat um

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