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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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sich selbst zu rechtfertigen. Bevor er, sagen wir mal, einen Mord oder irgendwelche anderen scheußlichen Taten begeht.
    Nehmen wir zum Beispiel diesen Leichnam. Ein junger Mann, dessen Körper jetzt eine Verkündigung des Todes ist. Die Edur benutzen Münzen. Wir Letherii benutzen Leintuch, Blei und Stein. In beiden Fällen haben wir das gleiche Bedürfnis: die schreckliche Abwesenheit zu verdecken, zu tarnen und zu verbergen, die in diesem reglosen Gesicht geschrieben steht.
    Ob offen oder geschlossen – es fing immer mit den Augen an.
    Udinaas packte den Rand der Letherii-Münze mit der Zange. Diese ersten beiden mussten ein bisschen kühler als die anderen sein, andernfalls würden die Augen hinter den Lidern bersten. Er war einmal Zeuge eines solchen Vorfalls geworden, als er bei einem älteren Sklaven gelernt hatte, der allmählich sein Zeitgefühl verloren hatte. Ein Sprotzeln, dann eine Fontäne aus lebloser Flüssigkeit, übelriechend und faulig trübe, eine Münze, die viel zu tief in die Augenhöhle sank, aufzischender Dampf und verschmorende, geschwärzte Haut.
    Er drehte sich auf dem Hocker um, achtete sorgsam darauf, die Münze nicht fallen zu lassen, und beugte sich über Rhulads Gesicht. Senkte die heiße, goldene Scheibe.
    Ein leises Brutzeln, als die Haut des Augenlids schmolz, alle Feuchtigkeit aus ihr herausgezogen wurde, so dass sie sich um die Münze straffte. Und sie festhielt.
    Er wiederholte den Vorgang mit der zweiten Münze.
    Die Hitze im Raum begann den Leichnam aufzutauen, und während Udinaas Münzen auf den Oberkörper legte, erschrak er ständig wegen irgendwelcher Bewegungen. Der gekrümmte Rücken, der sich senkte, ein Ellbogen, von dem ein leises Geräusch ausging, Schmelzwasserrinnsale, die über die Steinplatte krochen und seitlich heruntertropften, als würde der Leichnam jetzt weinen.
    Der Gestank nach verbranntem Fleisch hing schwer in der heißen, feuchten Luft. Rhulad Sengars Leichnam machte eine Verwandlung durch, erlangte eine schimmernde Rüstung, wurde zu etwas anderem als einem Tiste Edur. In Udinaas’ Gedanken hörte er auf, als ein Wesen zu existieren, das einst gelebt hatte; die Arbeit, die vor dem Sklaven lag, erschien ihm wenig anders als die, ein Netz zu flicken.
    Von der Brust zum Unterleib. Jede Speerwunde wurde mit Lehm und Öl ausgefüllt, mit Goldmünzen umgeben und schließlich versiegelt. Das Becken, die Oberschenkel, die Knie, die Schienbeine, die Knöchel, die Oberseite der Füße. Die Schultern, die Oberarme, die Ellbogen, die Unterarme.
    Einhundertdreiundsechzig Münzen.
    Udinaas wischte sich den Schweiß aus den Augen, dann stand er auf und ging mit schmerzenden Gliedern zu dem Kessel hinüber, der das geschmolzene Wachs enthielt. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Der Gestank verhinderte, dass sein Hunger allzu groß wurde, doch er hatte das Loch in seinem Magen schon ein halbes Dutzend Mal mit kühlem Wasser gefüllt. Draußen regnete es noch immer; die Tropfen prasselten auf das Dach, wirbelten jenseits der Mauern über den Boden. Ein Dorf, in dem getrauert wurde – niemand würde ihn stören, solange er dieses Gebäude nicht verließ.
    Es wäre ihm lieber gewesen, wenn ein halbes Dutzend Edur-Witwen das Auslegen der Münzen übernommen und er an seinem üblichen Platz am Feuer gestanden hätte. Das letzte Mal, dass er das Ritual ganz allein vollzogen hatte, war bei Uruths Vater gewesen, der in einer Schlacht gegen die Arapay getötet worden war. Damals war er jünger gewesen, und das ganze Unterfangen und seine Rolle dabei hatten ihn in Ehrfurcht versetzt.
    Udinaas hängte den Handgriff in den Kessel ein, hob ihn vom Herd und trug ihn vorsichtig zurück zu dem Leichnam. Eine dicke Schicht über die Vorderseite und die Flanken des Leichnams. Das Wachs kurz abkühlen lassen – nicht zu lange, denn sonst würde es splittern, wenn er den Leichnam herumdrehte –, und dann würde er wieder mit den Goldmünzen weitermachen.
    Udinaas gönnte sich eine kurze Pause; noch immer stand er neben dem toten Tiste Edur. »Ach, Rhulad«, seufzte er, »jetzt könntest du erst so richtig vor den Frauen angeben, was?«
     
    »Das Trauern hat begonnen.«
    Trull zuckte zusammen, drehte sich um und stellte fest, dass sein Bruder neben ihm stand. »Was? Oh. Was ist denn nun entschieden worden?«
    »Nichts.« Sein Bruder drehte sich um und ging zum Herd. Sein Gesicht verzerrte sich, während er die niedrigen Flammen betrachtete. »Der Hexenkönig

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