SdG 08 - Kinder des Schattens
und Blut schoss hervor.
Er fand den abgenutzten hölzernen Griff des Werkzeugs, zog die gekrümmte Klinge heraus. Ihre innere Schneide war scharf geschliffen; sie wurde zum Trimmen von Knoten benutzt. Er drehte sich herum, biss die Zähne zusammen und versuchte, die Kiefer der Echse zu ignorieren, die wieder und wieder auf seiner Schulter herumkauten, bis nur noch Fetzen übrig waren. Udinaas schlug nach unten, dorthin, wo – wie er dachte – eines der Beine des Wyrm sein musste. Treffer. Er riss die innere Schneide der Klinge gegen die Sehnen.
Die Kreatur schrie auf.
Und ließ Federhexe los.
Sie stürzte in die hoch erhobenen Arme der Menge.
Krallen hämmerten gegen Udinaas’ Brust, durchdrangen Haut und Fleisch.
Er schlug zu, schnitt tief. Das Bein zuckte zurück.
Die Kiefer ließen ihn los, schnappten dann noch einmal zu, schlossen sich um seinen Nacken.
Der Netzhaken fiel ihm aus der zuckenden Hand. Plötzlich war Blut in seinem Mund und seiner Nase.
Dunkelheit wirbelte durch sein Gesichtsfeld – und er hörte den Wyrm erneut schreien, dieses Mal vor Entsetzen und Schmerz; die Laute kamen aus den Nasenlöchern der Kreatur und liefen Udinaas in heißen Wogen über den Rücken. Die Kiefer ließen ihn los.
Udinaas fiel.
Und verlor das Bewusstsein.
Als die anderen hinausmarschierten, berührte Hannan Mosag Trull an der Schulter. »Bleib noch«, murmelte er. »Deine Brüder auch.«
Trull schaute zu, wie seine Kameraden in kleinen Gruppen die Halle verließen. Sie waren besorgt, und mehr als ein verhärtetes Gesicht verriet einen Anflug von Bestürzung, als die Männer sich ein letztes Mal dem Hexenkönig und seinen K’risnan zuwandten. Forcht war zu ihm getreten, stand jetzt neben ihm, und Rhulad folgte ihm auf dem Fuß. Forchts Gesichtsausdruck wirkte verschlossen – was nicht sonderlich überraschend war –, während Rhulad nicht in der Lage schien, still zu stehen; ständig wandte er den Kopf in diese oder jene Richtung, und seine Hand tanzte über den Knauf des Schwerts an seiner Hüfte.
Ein Dutzend Herzschläge später waren sie allein.
Hannan Mosag ergriff das Wort. »Sieh mich an, Trull Sengar. Ich möchte, dass du etwas verstehst – ich hatte nicht vor, deine Tat zu kritisieren. Auch ich hätte jenem Letherii zur Antwort auf seinen Scherz meinen Speer in die Brust getrieben. Ich habe dich auf üble Weise benutzt, und dafür entschuldige ich mich …«
»Dazu besteht keine Notwendigkeit, Höherer«, erwiderte Trull. »Ich bin erfreut, dass du in meiner Tat einen Angelpunkt gefunden hast, um die Gefühle der Versammlung zu verändern.«
Der Hexenkönig neigte den Kopf. »Ein Angelpunkt.« Er lächelte, doch es wirkte angestrengt. »Dann werden wir nicht mehr davon sprechen, Trull Sengar.« Nun richtete er seine Aufmerksamkeit auf Rhulad, und seine Stimme klang etwas härter, als er sagte: »Rhulad Sengar, Ungebluteter, du bist nun hier, weil du ein Sohn von Tomad bist und weil ich alle seine Söhne brauche, auch dich. Ich erwarte, dass du zuhörst, aber nicht sprichst.«
Rhulad, der plötzlich blass geworden war, nickte.
Hannan Mosag trat zwischen zwei seiner K’risnan – die ihre wachsame Haltung noch immer nicht aufgegeben hatten – und führte Tomads drei Söhne vom Podest. »Wie ich gehört habe, wandert Binadas wieder einmal umher. Er kennt keinen Anker, nicht wahr? Nun gut, das bedeutet keine Herabsetzung. Wenn euer Bruder zurückkehrt, werdet ihr ihn über all das in Kenntnis setzen müssen, was ich euch heute Nacht erzähle.«
Sie betraten das private Gemach des Hexenkönigs. Es war keine Frau zugegen, und auch keine Sklaven. Hannan Mosag lebte einfach; seine einzige Gesellschaft war sein Schattenwächter. Der Raum war spärlich eingerichtet, und alles war so ordentlich, dass es streng wirkte.
»Vor drei Monaten reiste meine Seele umher, während ich schlief, und ich hatte eine Vision«, begann der Hexenkönig und drehte sich zu den drei Sengars um. »Ich war auf einer Ebene aus Schnee und Eis. Jenseits der Lande der Arapay, nordöstlich des Hungrigen Sees. Doch in dem Land, das immer reglos ist, hatte sich etwas erhoben. Eine gewaltsame Geburt, eine fordernde, unnachgiebige Präsenz. Ein spitzer Turm aus Eis. Vielleicht auch ein Speer – ich konnte nicht nahe herankommen –, er ragte hoch über dem Schnee auf, glitzernd und blendend hell von all dem Sonnenlicht, das er eingefangen hatte. Doch in seinem Inneren wartete etwas Dunkles.« Hannan Mosags Augen schienen in
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