SdG 08 - Kinder des Schattens
unbestimmte Fernen zu blicken, und Trull wurde plötzlich schaudernd klar, dass sein König wieder an jenen kalten, verlassenen Ort zurückgekehrt war. »Ein Geschenk. Für die Edur. Für den Hexenkönig.« Er verstummte.
Niemand sagte ein Wort.
Plötzlich streckte Hannan Mosag den Arm aus und packte Forcht an der Schulter, richtete den Blick auf Trulls älteren Bruder. »Die vier Söhne von Tomad Sengar sollen zu jenem Ort reisen. Um das Geschenk zu holen. Ihr könnt noch zwei andere mitnehmen – in meiner Vision habe ich die Spuren von sechs Männern gesehen, die zu jenem Turm aus Eis geführt haben.«
»Theradas und Midik Buhn«, sagte Forcht.
Der Hexenkönig nickte. »Ja, gut gewählt. Forcht Sengar, ich ernenne dich zum Anführer dieser Expedition. Du bist mein Wille, und alle müssen dir gehorchen. Weder du noch irgendein anderer aus eurer Gruppe darf das Geschenk berühren. Euer Fleisch darf nicht damit in Berührung kommen, habt ihr das verstanden? Holt es aus dem Turm, wickelt es in Felle, wenn das möglich ist, und kehrt dann hierher zurück.«
Forcht nickte. »Es wird geschehen, wie du befiehlst, Höherer.«
»Gut.« Der Hexenkönig musterte die drei Brüder. »Viele unseres Volkes – vielleicht gehört auch ihr dazu – sind der Überzeugung, dass die Vereinigung der Stämme mein einziges Ziel als Anführer der Hiroth gewesen ist. Söhne von Tomad, ihr sollt wissen, dass das erst der Anfang ist.«
Plötzlich war eine neue Präsenz im Raum, die sowohl der König als auch die Brüder gleichzeitig wahrnahmen, und sie drehten sich alle zum Eingang um.
Ein K’risnan stand auf der Schwelle.
Hannan Mosag nickte. »Die Sklaven sind heute Nacht eifrig gewesen«, murmelte er. »Kommt mit, ihr alle.«
Schattengespenster hatten sich um seine Seele versammelt, denn er war nur noch Seele, reglos und verletzlich; obwohl er keine Augen mehr hatte, konnte er sehen, und obwohl er keinen Körper mehr hatte, konnte er spüren, wie die verschwommenen, tierischen Dinge näher kamen, nach ihm schnappten, ihn umkreisten wie Hunde eine Schildkröte.
Sie waren hungrig, diese Schattengeister. Doch etwas hielt sie zurück, ein tief verwurzeltes Verbot. Sie stöberten herum und zupften und rupften an ihm, aber sonst taten sie nichts.
Sie verteilten sich widerwillig, als sich etwas – jemand – näherte, und Udinaas spürte, wie sich eine warme, beschützende Präsenz an seiner Seite niederließ.
Federhexe. Sie war heil, ihr Gesicht war klar; ihre grauen Augen funkelten spöttisch, als sie ihn musterte. »Sohn der Schuld«, sagte sie und seufzte. »Sie sagen, du hättest mich losgeschnitten. Während der Wyrm dich gepackt hatte. Doch das hätte dich nicht gekümmert.« Sie musterte ihn erneut, ehe sie fortfuhr: »Deine Liebe verbrennt meine Augen, Udinaas. Was soll ich mit diesem Wissen anfangen?«
Er stellte fest, dass er sprechen konnte. »Nichts, Federhexe. Ich weiß, was niemals sein kann. Ich werde diese Last nicht ablegen.«
»Nein, das wirst du nicht. Das kann ich erkennen.«
»Was ist geschehen? Liege ich im Sterben?«
»Du hast im Sterben gelegen. Uruth, Tomad Sengars Frau, ist als Antwort auf … unser Elend gekommen. Sie hat auf Kurald Emurlahn zurückgegriffen und den Wyrm vertrieben. Und jetzt ist sie gerade dabei, uns beide zu heilen. Wir liegen nebeneinander auf der blutgetränkten Erde, Udinaas. Bewusstlos. Sie wundert sich darüber, dass wir so widerstrebend zurückkehren.«
»Widerstrebend?«
»Sie hat das Gefühl, sie müsste sich mühen, um unsere Wunden zu heilen – ich widersetze mich ihr, um unser beider willen.«
»Warum?«
»Weil ich beunruhigt bin. Uruth spürt nichts. Ihre Macht fühlt sich für sie rein an. Doch sie ist … befleckt.«
»Das verstehe ich nicht. Du hast gesagt, dass sie auf Kurald Emurlahn …«
»Stimmt. Aber es hat seine Reinheit verloren. Ich weiß nicht, wie das geschehen ist oder was genau geschehen ist, aber es hat sich verändert. Es hat sich bei allen Edur verändert.«
»Was sollen wir tun?«
Sie seufzte. »Zurückkehren, jetzt. Ihren Befehlen gehorchen. Ihr unsere Dankbarkeit schenken, für ihr Eingreifen, für die Heilung unseres zerfetzten Fleisches. Und was die vielen Fragen angeht, die sie haben wird, so können wir darauf nur wenig sagen. Alles war wirr und undeutlich. Ein Kampf mit einem unbekannten Dämon. Chaos. Und von dieser Unterredung hier werden wir gar nichts sagen. Hast du verstanden?«
»Ja.«
Sie griff nach unten, und er
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