SdG 08 - Kinder des Schattens
des Pfads und machte sich dann an den Aufstieg.
Als wüsste er, dass wir hier sind.
Buruk der Bleiche ließ sich Zeit auf dieser Reise, er ordnete kurz nach Mittag eine Pause an. Die Wagen würden sich nicht vor dem nächsten Morgen auf den felsigen, abhältigen Pfad hinab ins Tal begeben. Vorsicht oder trunkene Gleichgültigkeit, das Ergebnis war das gleiche.
Hull stand an ihrer Seite. Beide beobachteten, wie der Edur näher kam.
»Seren.«
»Ja?«
»Du weinst nachts.«
»Ich dachte, du würdest schlafen.«
Er sagte einen Augenblick nichts, dann meinte er: »Dein Weinen hat mich immer aufgeweckt.«
Und das ist so nah, wie du dich traust, ja? »Ich wollte, deines hätte mich aufgeweckt.«
»Ich bin mir sicher, Seren, dass hätte es auch, wenn ich geweint hätte.«
Und das macht meine Schuld leichter? Sie nickte in Richtung auf den entfernten Tiste Edur. »Erkennst du ihn?«
»Ja.«
»Wird er uns Ärger machen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, er wird unsere Eskorte in die Lande der Hiroth sein.«
»Ist er von adliger Abstammung?«
Hull nickte. »Es ist Binadas Sengar.«
Sie zögerte kurz, ehe sie fragte: »Hast du Fleisch für ihn geschnitten?«
»Ja, das habe ich. So wie er es für mich getan hat.«
Seren Pedac zog sich ihren Pelzumhang enger um die Schultern. Der Wind hatte nicht nachgelassen, auch wenn seine peitschenden Böen jetzt etwas von dem feuchten Verwesungsgeruch aus dem Tal mitbrachten. »Hull, fürchtest du dieses Große Treffen?«
»Ich muss nur zurückblicken, um zu sehen, was vor uns liegt.«
»Bist du dir dessen so sicher?«
»Wir werden den Frieden erkaufen, doch für die Edur wird es ein tödlicher Friede sein.«
»Aber immer noch ein Friede, Hull.«
»Freisprecherin, du kannst es ruhig erfahren, denn dann weißt du ganz genau, was ich tun will. Ich habe vor, diese Versammlung zu zerschlagen. Ich habe vor, die Edur zum Krieg gegen Letheras aufzustacheln.«
Sie starrte ihn wie betäubt an.
Hull Beddict wandte sich ab. »Und nun mach mit diesem Wissen, was immer du willst«, sagte er.
Kapitel Drei
Das Gesicht dem Licht zugewandt
vom Dunkel verraten
liegt Vater Schatten
blutend
ungesehen und nicht sehend
verloren da
bis seine Kinder
den letzten Pfad beschreiten
und in der Einöde
von Fremden umgeben
erneut erwachen
Gebet der Tiste Edur
D
rückende Stille, die sich in dem dichten, undurchdringlichen Nebel wohl zu fühlen schien. Das Wasser, aus dem die Schwarzholzpaddel gezogen worden waren, war so dick wie Blut und rann erst in Rinnsalen, dann in Tröpfchen die polierten Schäfte hinab, um schließlich in einer Patina aus Salz in der kühlen, vollkommen reglosen Luft zu trocknen. Und jetzt galt es nur noch zu warten.
Tochter Menandore hatte an diesem Morgen ein grimmiges Omen überbracht: Den Leichnam eines Benada-Kriegers. Einen aufgeblähten, von Zauberei verbrannten Körper, dessen Haut vom unstillbaren Hunger des Meeres abgeschält worden war. Das flüsternde Summen von Fliegen, in die Flucht geschlagen bei der Ankunft der Edur, deren Sklaven den Krieger gefunden hatten.
Letherii-Zauberei.
Der Krieger hatte keine Schwertscheide und keine Rüstung getragen. Er war beim Fischen gewesen.
Kurz nach der Entdeckung waren vier K’orthan-Langboote von der Flussmündung aufgebrochen. Im vordersten Boot saßen Hannan Mosag und sein K’risnan-Kader, zusammen mit fünfundsiebzig gebluteten Kriegern. Mannschaften zu jeweils einhundert Mann folgten in drei weiteren Booten.
Eine Weile hatten die Gezeiten sie nach draußen getragen. Schon bald war deutlich geworden, dass in Küstennähe kein Wind auf sie wartete, daher waren die drei auf jedem Boot vorhandenen dreieckigen Segel gar nicht erst aufgezogen worden; stattdessen hatten die jeweils fünfunddreißig Krieger auf jeder Bootsseite zu paddeln begonnen.
Bis der Hexenkönig ihnen das Zeichen zum Anhalten gegeben hatte.
Nebel umhüllte die vier Langboote. In keine Richtung konnte man weiter als zwanzig Paddelschläge sehen. Trull Sengar saß auf der Bank hinter Forcht. Er hatte sein Paddel beiseite gelegt und griff nun nach dem eisenbeschlagenen Speer, den sein Vater ihm gegeben hatte.
Die Schiffe der Letherii waren nah, wusste er; sie trieben in der gleichen Weise dahin wie die Langboote der Edur. Doch sie waren ausschließlich auf ihre Segel angewiesen und konnten daher nichts als warten, solange der Wind nicht auffrischte.
Und Hannan Mosag hatte dafür gesorgt, dass es keinen Wind
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