SdG 08 - Kinder des Schattens
zur Steinschüssel …«
»Hör auf damit. Sofort.« Tomads Stimme klang hart, sein Gesichtsausdruck war finster. »Forcht. Trull. Kehrt ins Haus zurück und wartet dort auf mich. Uruth, kümmere dich um die Bedürfnisse der Witwen. Ein gefallener Krieger sieht seiner ersten Abenddämmerung inmitten seiner Verwandten entgegen. Es müssen Sühneopfer dargebracht werden.«
Einen Augenblick lang dachte Trull, sie würde sich ihm widersetzen. Doch stattdessen nickte sie mit zu einer schmalen Linie zusammengepressten Lippen und schritt davon.
Forcht gab Trull ein Zeichen, dann gingen sie zum Langhaus und ließen ihren Vater allein am Kanal zurück.
»Dies sind unangenehme Zeiten«, sagte Trull.
»Muss es sein«, fragte Forcht, »dass du zwischen Rhulad und Mayen stehst?«
Trull presste die Lippen zusammen. Die Frage hatte ihn zu sehr aus dem Gleichgewicht gebracht, um seinen Bruder mit einer entwaffnenden Antwort abzulenken.
Forcht nahm das Schweigen als Antwort. »Und wenn du zwischen ihnen stehst – wem wendest du dich zu?«
»Ich … Es tut mir Leid, Forcht. Deine Frage hat mich überrascht. Du fragst, ob es sein muss. Meine Antwort lautet: Ich weiß es nicht.«
»Oh, ich verstehe.«
»Sein großspuriges Auftreten … ärgert mich.«
Forcht antwortete nicht.
Sie kamen zum Eingang. Trull musterte seinen Bruder. »Forcht, diese Steinschüssel – was ist das? Ich habe noch nie davon …«
»Es spielt keine Rolle«, antwortete sein Bruder und ging ins Haus.
Trull blieb auf der Schwelle stehen. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, drehte sich um und warf einen Blick zurück. Jene, die dort gestanden hatten, um sie willkommen zu heißen, waren fort, genauso wie die anderen Krieger. Hannan Mosag und sein K’risnan-Kader waren nirgendwo zu sehen. Nur eine einzige einsame Gestalt war zurückgeblieben. Tomad.
Unterscheiden wir uns so sehr von allen anderen?
Ja. Denn der Hexenkönig hat nach Tomads Söhnen gefragt. Um einer Vision zu folgen.
Er hat uns zu seinen Dienern gemacht. Aber … ist er der Herr?
In seinem Traum kniete Udinaas auf einer Ascheschicht. Er hatte Schnittwunden und blutete. An den Händen. An den Beinen. Die Asche schien mit leidenschaftlichem Hunger an seinen Wunden zu nagen. Die Enge in seiner Kehle ließ ihn keuchend nach Luft ringen. Er griff nach der Luft, als er sich taumelnd aufrichtete. Er wankte – und der Himmel brüllte auf und kam von allen Seiten herangerast.
Feuer. Ein Feuersturm.
Er schrie.
Und stellte fest, dass er wieder auf den Knien hockte.
Abgesehen von seinen keuchenden Atemzügen herrschte Stille. Udinaas hob den Kopf. Der Sturm war fort.
Gestalten auf der Ebene. Sie schritten dahin, und hinter ihnen stiegen Staubwolken wie vom Wind umhergefegte Schleier auf. Waffen ragten aus ihren Körpern. Glieder hingen an zerfetzten Sehnen und Muskeln. Blinde Augen und Gesichter, auf denen sich ängstliches Erkennen abzeichnete – Gesichter, die ihren eigenen Tod sahen, die seiner Anwesenheit gegenüber blind waren, während sie an ihm vorübermarschierten.
In seinem Innern stieg ein Gefühl unermesslichen Verlusts auf. Trauer, dann das bittere Flüstern von Verrat.
Für das hier wird jemand bezahlen. Oh ja, jemand wird bezahlen.
Jemand.
Jemand.
Es waren nicht seine Worte, und die Gedanken gehörten einem anderen, doch die Stimme im Innern seines Schädels – diese Stimme war seine.
Ein toter Krieger kam dicht an ihn heran. Groß, schwarzhäutig. Ein Schwerthieb hatte ihm den größten Teil seines Gesichts geraubt. Knochen glänzten; der harte Schlag hatte sie mit einem feinen Netz aus roten Rissen überzogen.
Eine Bewegung.
Eine metallumhüllte Hand krachte seitlich gegen Udinaas’ Kopf. Blut spritzte. Er lag inmitten einer Wolke aus grauer Asche auf dem Boden. Blinzelte gegen brennendes Feuer an.
Er spürte, wie sich gepanzerte Finger um seinen linken Knöchel schlössen. Sein Bein wurde gewaltsam nach oben gerissen.
Und dann begann der Krieger, ihn hinter sich herzuziehen.
Wo gehen wir hin?
»Die Lady ist streng.«
Die Lady?
»Ist streng.«
Wartet sie am Ende der Reise auf uns?
»Sie ist keine, die wartet.«
Während er weitergezogen wurde, drehte er sich um, starrte zurück auf die Furche, die er in der Asche zurückließ. Eine Spur, die bis zum Horizont reichte. Schwarzes Blut quoll in der Rille nach oben. Wie lange zieht er mich schon? Wen verwunde ich?
Das Donnern von Hufen.
»Sie kommt.«
Udinaas drehte sich wieder auf den Rücken,
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