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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Wahrheit über den Wahnsinn, wenn ein Verstand als Beweis seiner geistigen Gesundheit nichts anderes mehr tun kann als endlose Listen der alltäglichen Aufgaben zu erstellen, die auf ihn warten. Flicke diese Netze. Flechte jene Seile. Siehst du? Ich habe den Sinn meines Lebens nicht vergessen.
    Das Blut des Wyrm war weder heiß noch kalt. Es wütete nicht.
    Udinaas fühlte sich in seinem Körper nicht anders als sonst. Aber das klare Blut meiner Gedanken, oh, das ist tatsächlich befleckt. Er schlug die Decke zurück und stand auf. Das ist dann also der Pfad, und ich muss auf ihm bleiben. Bis der Augenblick kommt.
    Flicke die Netze. Flechte die Seile.
    Grabe das Loch für den Benada-Krieger, der gerade seine Augen geöffnet hätte, wenn er denn welche hätte. Der nicht die Schwärze der ihn umschließenden Münzen gesehen hätte. Nicht das blaue Wachs und auch nicht die Morokblätter, die auf das Wachs reagieren und feucht und schwarz werden. Der stattdessen ein Gesicht gesehen hätte … das Gesicht von etwas anderem.
    Wyrm umkreisten fliegende Drachen. Er hatte es gesehen. Wie Hunde, die ihren Herrn umringen, kurz bevor die Jagd beginnt. Ich weiß jetzt, warum ich dort bin, wo ich angekommen bin. Das wann ist eine Antwort, die die Nacht noch flüstern muss – nein, nicht flüstern, sondern heulen. Denn der Aufruf zur Jagd kommt von der Dunkelheit selbst.
    Udinaas wurde klar, dass er von Feinden umgeben war. Nicht als Letherii, der zu einem Leben als Sklave verurteilt war. Das war nichts im Vergleich zu der Gefahr, die sein neues Blut spürte, hier mitten im Herzen von Edur und Kurald Emurlahn.
    Federhexe wäre die bessere Wahl gewesen, vermute ich, doch Mutter Dunkel macht selbst bei Dingen wie diesen überraschende Züge.
    Er begab sich ins Hauptzimmer.
    Und stand plötzlich Uruth gegenüber.
    »In diesen Stunden sollte man nicht herumgehen, Sklave«, sagte sie.
    Er sah, dass sie zitterte.
    Udinaas sank auf den Fußboden und presste seine Stirn gegen die abgenutzten Dielen.
    »Bereite die Umhänge von Forcht, Trull und Rhulad vor. Du musst fertig sein, bevor der Mond aufgeht, denn sie werden noch diese Nacht zu ihrer Reise aufbrechen. Und pack Essen und Getränke für eine Morgenmahlzeit dazu.«
    Er stand schnell auf, um zu tun, was sie ihm aufgetragen hatte, wurde aber von einer ausgestreckten Hand aufgehalten.
    »Udinaas«, sagte Uruth. »Du kümmerst dich alleine darum und erzählst niemandem ein Wort.«
    Er nickte.
     
    Schatten krochen aus dem Wald. Der Mond war aufgegangen – das Gefängnis von Menandores wahrem Vater, der in ihm gefangen war. Vater Schattens Kämpfe in alter Zeit hatten diese Welt erschaffen und sie dabei in vielerlei Art geformt. Scabandari Blutauge, unentwegter Verteidiger gegen die fanatischen Diener der unerbittlichen Gewissheit, gleichgültig, ob diese Gewissheit blendend weiß loderte oder von alles verschlingender Schwärze war. Die Siege, die ihm gelungen waren – das Begraben von Bruder Dunkel und die Einschließung von Bruder Licht dort in jener fernen, vergitterten Welt am Himmel –, waren ein Geschenk, und zwar nicht nur für die Edur, sondern für alle, die geboren wurden und nur lebten, um eines Tages zu sterben.
    Das Geschenk der Freiheit, des freien Willens, sofern man sich nicht selbst in Ketten schlug – die unzähligen, stets rasselnden Angebote der sich zusammendrängenden Menge, die alle versprachen, Rettung aus der Verwirrung zu bieten – und diese als Rüstung trug.
    Trull Sengar sah Ketten an den Letherii. Er sah das undurchdringliche Netz, das sie band, die Verbindungen aus Folgerungen, die zu einer chaotische Masse verwoben waren, in der man weder einen Anfang noch ein Ende finden konnte. Er verstand, warum sie einen leeren Thron anbeteten. Und er wusste, auf welche Art und Weise sie alles rechtfertigen würden, was sie taten. Fortschritt war notwendig, Wachstum war Gewinn. Gegenseitigkeit war etwas für Narren, und Schulden waren die bindende Kraft der gesamten Natur, sämtlicher Völker und sämtlicher Zivilisationen. Schulden waren eine Sprache für sich, in der Worte benutzt wurden wie Verhandlung, Entschädigung und Berechtigung, und Rechtmäßigkeit war ein Geflecht aus Falschheit, das die Augen der Gerechtigkeit blind machte.
    Ein leerer Thron. Auf einem Berg aus Goldmünzen.
    Vater Schatten hatte eine Welt gesucht, in der die Ungewissheit ihr heimtückisches Gift gegen diejenigen einsetzen konnte, welche Unnachgiebigkeit zu ihrer Waffe erkoren hatten

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