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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Ich weiß, dass du Unerfahrenheit für den Boden hältst, in den sich die Wurzeln trügerischen Muts senken. Aber in mir ist nichts trügerisch, was immer du auch denkst. Für mich ist Unerfahrenheit ungepflügter Boden, der noch nicht reif für Wurzeln ist. Ich habe dort an Stelle meines Bruders gestanden.«
    »Etwas Feindseliges in der Nacht, Rhulad? Wessen Feindseligkeit?«
    »Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Aber ich habe es gespürt.«
    »Forcht«, wandte Trull sich an seinen ältesten Bruder, »hast du in dieser Angelegenheit keine Fragen an Rhulad?«
    »Nein«, erwiderte Forcht trocken. »Dazu besteht keine Notwendigkeit … solange du in der Nähe bist.«
    Trull presste die Lippen zusammen und war dankbar, dass die Nacht sein Erröten verbarg.
    Danach herrschte einige Zeit lang Schweigen.
    Der Pfad begann anzusteigen, wand sich um Granitblöcke herum, die mit Flechten bewachsen waren. Dann und wann kletterten sie über umgestürzte Bäume und steile Felsrutsche hinweg. Das Mondlicht wurde diffuser, und als sie den höchsten Punkt des Pfads erreichten, hatte Trull das Gefühl, als wäre die Morgendämmerung nicht mehr fern.
    Der Pfad führte nun an einem Grat aus umgestürzten Bäumen und zerbrochenen Felsblöcken entlang landeinwärts – nach Osten. Wasser, das sich in Vertiefungen im Felsboden gesammelt hatte, bildete unergründliche Teiche, die bis quer über den Pfad leckten. Über ihnen begann der Himmel heller zu werden.
    Dann führte Forcht sie vom Pfad herunter gen Norden, über wirres Geröll und zwischen verkrümmten Bäumen hindurch. Kurze Zeit später lag die Kaschan-Rinne vor ihnen.
    Die Schlucht war riesig – wie die Schnittwunde eines Messers im Felsgestein, mit steilen Wänden, an denen Wasser hinabrann – und verlief in einer zackigen Linie von einer Stelle unterhalb der Hasanafoerde einen halben Tagesmarsch im Westen bis weit nach Osten, wo sie schließlich mehr als eine Tagesreise entfernt wieder im Felsgestein verschwand. Hier befanden sie sich an der breitesten Stelle; das Gelände auf der gegenüberliegenden, etwa zweihundert Schritt entfernten Seite lag etwas höher, unterschied sich ansonsten jedoch nicht von dem, auf dem sie standen – verstreute Felsen, die aussahen, als wären sie aus der Schlucht herausgeschleudert worden, und verstümmelte Bäume, die irgendein unsichtbarer Hauch aus der Tiefe krank zu machen schien.
    Forcht löste seinen Umhang, ließ seinen Packsack fallen und trat an einen der missgestalteten steinernen Hügel. Er schob einige abgestorbene Zweige beiseite, und Trull sah, dass der Hügel eine Art Steinhaufen war. Forcht entfernte den Schlussstein, griff in die darunterliegende Höhlung und zog eine Rolle Knotenseil hervor.
    »Legt eure Umhänge und Waffen ab«, sagte er, während er das Seil an den Rand der Schlucht trug.
    Er fand das eine Ende und band seinen Packsack, seinen Umhang, sein Schwert und seinen Speer daran. Trull und Rhulad traten mit ihrer Ausrüstung zu ihm, und auch diese wurde an das Seil gebunden. Dann machte Forcht sich daran, alles an der Schluchtwand hinunterzulassen.
    »Trull, nimm das andere Ende und bringe es an eine schattige Stelle – eine Stelle, an der sich der Schatten den ganzen Tag lang gegen die Sonne behaupten kann.«
    Trull nahm das Seilende und schritt zu einem großen, zur Seite geneigten Felsblock. Als er das Seil in die Schatten an seinem Fuß schob, spürte er, wie zahllose Hände danach griffen. Trull trat zurück. Das Seil war jetzt straff gespannt.
    Er kehrte zur Kante zurück und sah, dass Forcht bereits mit dem Abstieg begonnen hatte. Rhulad stand da und starrte in die Tiefe.
    »Wir sollen warten, bis er den Grund erreicht hat«, sagte sein jüngster Bruder. »Er wird dreimal am Seil rucken. Er hat darum gebeten, dass ich als Nächster gehe.«
    »Sehr gut.«
    »Sie hat unglaublich süße Lippen«, murmelte Rhulad; dann schaute er auf und begegnete Trulls Blick. »Willst du das von mir hören? Damit du endlich einen Beweis für deinen Verdacht hast?«
    »Ich habe so manchen Verdacht, Bruder«, erwiderte Trull. »Wir haben sonnenverbrannte Gedanken, wir haben vom Dunkel verschluckte Gedanken. Aber die Schatten-Gedanken sind diejenigen, die sich heimlich bewegen, die bis an den äußersten Rand der miteinander wetteifernden Sphären kriechen – wenn auch nur, um zu sehen, was es zu sehen gibt.«
    »Und wenn sie nichts sehen?«
    »Sie sehen niemals nichts, Rhulad.«
    »Und wenn es Trugbilder sind? Was, wenn

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