SdG 08 - Kinder des Schattens
doch, oder?«
»Die Adern eines Mannes lügen nie.«
»Stimmt. Nur – sie können es.«
»Stimmt. Wenn man verrückt genug ist, einen Leichnam ausbluten zu lassen und anschließend neues Blut in ihn hineinzupumpen.«
»Eine grässliche Tätigkeit, Bagg. Ich bin froh, dass du dazu bereit bist.«
Das verschrumpelte Gesicht in der Dachluke verfinsterte sich. »Und was ist mit Turbl?«
»Wir schmuggeln ihn auf dem üblichen Weg nach draußen. Er wollte doch schon immer Angeln gehen. Schick jemanden in den Tunnel, nur für den Fall, dass er früher abhaut als wir erwarten. Geruns Beobachter werden unsere besten Zeugen sein. Oh, was wird der Finadd spucken vor Wut!«
»Ist dies klug?«, fragte Bagg.
»Wir haben keine andere Wahl. Er ist der einzige Mann, der mich aufhalten kann. Also muss ich ihn zuerst erwischen.«
»Wenn er auch nur ahnt, dass Ihr dahinter steckt …«
»Dann bin ich ein toter Mann.«
»Und ich bin arbeitslos.«
»Unsinn. Die Mädels werden weitermachen. Außerdem bist du mein Begünstigter – inoffiziell, natürlich.«
»War es klug, mir das zu sagen?«
»Wieso nicht? Es war eine Lüge.«
Baggs Kopf verschwand.
Tehol ließ sich wieder auf sein Bett sinken. Und jetzt muss ich einen Dieb finden. Einen guten.
Oh! Ich weiß, wer da die Richtige ist. Armes Schätzchen …
»Bagg!«
Shurq Elalles Schicksal hatte sich zum Schlechten gewendet. Es hatte nichts mit ihrem Gewerbe zu tun, denn ihre Fähigkeiten in der Kunst des Diebstahls waren unter den Gesetzlosen legendär. Nein, nur ein Streit mit ihrem Vermieter, der sich traurigerweise zu einem Mordversuch seinerseits ausgewachsen hatte, woraufhin sie natürlich – in aller Rechtmäßigkeit – reagierte, indem sie ihn aus dem Fenster warf. Der Sturz des glücklosen Mannes wurde unglücklicherweise von einem Kaufmann aufgehalten, der die Straße entlangwatschelte. Der Vermieter brach sich das Genick. Genau wie der Kaufmann.
Unachtsame Selbstverteidigung, die zum Tode eines Unschuldigen geführt hatte, so hatte die Anklage gelautet. Vierhundert Stummel, und davon die Hälfte. Normalerweise hätte Shurq das Bußgeld bezahlen können, und das wäre es dann gewesen. Leider hatte sich der Streit mit ihrem Vermieter an der Tatsache entzündet, dass ein gewisser Goldvorrat auf unerklärliche Weise aus ihrem Versteck verschwunden war. Ohne einen einzigen Stummel in der Tasche war sie runter zum Kanal marschiert.
Trotz alledem – sie war eine gesunde Frau und gut in Form. Zweihundert Stummel wären wahrscheinlich zu schaffen gewesen – hätte sich das Rückholseil nicht an den Stacheln eines einundvierzig Steine schweren Wolfsfischs verfangen, der an die Oberfläche gekommen war, um einen Blick auf die Schwimmerin zu werfen, und danach wieder zum Grund hinabgetaucht war, wobei er Shurq mit sich gerissen hatte.
Wolfsfische waren selten im Kanal, und sie fraßen nur Männer. Niemals Frauen. Niemand wusste, warum das so war.
Shurq Elalle ertrank.
Doch, wie sich herausstellte, konnte man tot sein und man konnte tot sein. Ohne dass Shurq es wusste, war sie von einem ihrer früheren Opfer verflucht worden. Ein Fluch, der voll bezahlt und vom Leeren Tempel geweiht worden war. Obwohl ihre Lungen sich also mit fauligem Wasser gefüllt hatten, ihr Herz stehen geblieben war und Körper und Geist auch alle anderen sichtbaren Tätigkeiten eingestellt hatten, stand sie schließlich, nachdem man sie aus dem Kanal zurückgeholt hatte, schlammverschmiert und mit trüben Augen, deren Weiß von aufgeplatzten Blutgefäßen und totem Blut bräunlich verfärbt war, einfach so da – alles in allem eine absolut jämmerliche und traurig verwirrte Gestalt.
Von da an gingen ihr selbst die Gesetzlosen und die Obdachlosen aus dem Weg. Genauer gesagt, alle Lebenden. Sie gingen an ihr vorbei, als wäre sie tatsächlich ein Geist, eine tote Erinnerung.
Ihr Fleisch verweste nicht, auch wenn ihre Blässe auffallend ungesund aussah. Auch ihre Reaktionen und Fertigkeiten waren keineswegs schlechter als früher. Sie konnte sprechen. Sehen. Hören. Denken. Doch all das vermochte ihre Stimmung nicht merklich zu verbessern.
Bagg fand sie dort, wo sie nach Tehols Meinung zu finden sein sollte. In einer Gasse hinter einem Bordell. Wo sie, wie jede Nacht, auf die Laute der Lust lauschte – echte und vorgetäuschte –, die aus den Fenstern über ihr drangen.
»Shurq Elalle.«
Teilnahmslose, trübe Augen richteten sich auf ihn. »Ich schenke kein Vergnügen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher