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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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es von einem tiefen, unterirdischen Herzen getrieben.
    Und dieses Wasser war Gift.
    Udinaas stellte fest, dass er durch das Eis floh, mit Leichen zusammenstieß, auf Körper so hart wie Felsen prallte. Dann weiter, in von Spalten durchzogene Bereiche ohne Leichen. Feste Kanäle hinab. Rasend, immer schneller, während die Düsternis ihn verschlang.
    Gewaltige, braun bepelzte Kreaturen, die aufrecht stehend gefangen worden waren, mit grünen Pflanzen im Maul. Herden, die über schwarzer Erde schwebten. Stoßzähne aus Elfenbein und glitzernde Augen. Büschel herausgerissenen Grases. Lang gestreckte Umrisse – graue Wölfe mit hochgezogenen Schultern, die im Sprung erwischt worden waren oder während sie neben einem gewaltigen, gehörnten Tier dahingerannt waren. Dies war nur ein anderes Szenario, ein anderes Gemetzel, Leben, die in einem Augenblick katastrophaler Veränderung gestohlen worden waren – die Welt aus der Bahn geworfen, das Rauschen der Meere, atemlose Kälte, die sich bis in die Knochen einbrannte.
    Die Welt … Die Welt selbst begeht Verrat. Hol uns der Abtrünnige, wie kann das sein?
    Udinaas hatte viele gekannt, für die Gewissheit ein Gott gewesen war – der einzige Gott –, ganz egal, wie seine Gesichtszüge geschnitten gewesen waren. Und er hatte gesehen, wie dieser Glaube die Welt einfach machte, zu einem Ort, an dem sich durch scharfe, kalte Beurteilung alles spalten ließ, so dass danach kein Zusammenfügen mehr möglich war. Er hatte diese Art von Gewissheit gesehen, sie jedoch nie geteilt.
    Doch er hatte die Welt an sich nie … hinterfragt. Nicht, dass er sie für statisch gehalten hätte –, nein, das nicht –, aber doch grundsätzlich verständlich. Zweifellos war sie gelegentlich grausam und tödlich … aber man konnte es fast immer kommen sehen. Kreaturen, die mitten im Sprung zu Eis erstarrt waren. Die im Stehen plötzlich erstarrt waren, während ihnen noch Grasbüschel aus dem Maul hingen. Das überstieg jegliches Vorstellungsvermögen. Zauberei. Das muss Zauberei gewesen sein. Doch selbst wenn dem so war, erschien ihm die Macht, die hierfür notwendig war, unvorstellbar, denn es war ein Grundsatz, dass die Welt und alles, was auf ihr lebte, von Natur aus der Magie widerstand. Natürlich, denn andernfalls hätten Magier und Götter längst alles umgeformt und das Gleichgewicht aller Dinge wahrscheinlich zerstört. Und daher musste das Land sich widersetzt haben. Die Tiere, die in diesem Land hausten, mussten sich widersetzt haben. Die Strömungen in der Luft und im Wasser, die wachsenden Pflanzen und die summenden Insekten – sie alle mussten sich widersetzt haben.
    Doch sie hatten versagt.
    Dann, unten in der Tiefe, ein Umriss. Geduckt auf dem Grundgestein, ein steinerner Turm. Ein hoher, enger Spalt deutete auf einen Eingang hin, und Udinaas stellte fest, dass er durch das feste Eis darauf zuglitt.
    Hinein in das schwarze Portal.
    Etwas zerbarst, und plötzlich war er wieder körperlich, sank stolpernd auf die Knie. Der Fels war so kalt, dass er ihm die Haut von den Knien und Handflächen brannte. Er richtete sich taumelnd auf, und seine Schulter stieß gegen etwas, das unter dem Aufprall schwankte.
    Die Kälte war unmenschlich, machte ihn blind, die kalte Luft ließ seine Lunge erbeben. Durch gefrierende Tränen sah er inmitten eines schwachen bläulichen Schimmers eine große Gestalt. Eine Haut wie gebleichtes Pergament, die Gliedmaßen zu lang und zu knochig, mit zu vielen Gelenken. Schwarze, gefrorene Augen, ein Ausdruck leichter Überraschung auf den schmalen, geschwungenen Gesichtszügen. Die Kleidung, die das Wesen trug, bestand aus nichts weiter als einem Harnisch aus Lederriemen. Das Wesen war unbewaffnet. Ein Mann, aber gleichzeitig auch alles andere als ein Mann.
    Und dann sah Udinaas die Leichen, die verkrümmt auf dem Fußboden um die Gestalt herumlagen. Leichen mit dunkler, grünlicher Haut und Hauern. Ein Mann, eine Frau, zwei Kinder. Ihre Körper waren zerschmettert, gebrochene Knochen ragten aus zerfetztem Fleisch. So, wie sie dalagen, deutete alles darauf hin, dass der weißhäutige Mann ihr Mörder gewesen war.
    Udinaas zitterte unkontrolliert. Seine Hände und Füße waren taub. »Verblichener? Schattengespenst? Seid ihr hier?«
    Stille.
    In seiner Brust begann sein Herz zu hämmern. Das hier fühlte sich nicht wie ein Traum an. Es war zu wirklich. Er hatte nicht das Gefühl, eigentlich gar nicht hier zu sein, und er hörte auch keine Stimme, die ihm

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