SdG 08 - Kinder des Schattens
brutale Versklavung der Geister der Tiste Andii durch die Edur. Vertrauen erwies sich als Lüge, und in der Unwissenheit lag Schwäche. Die Rechtschaffenheit der Edur war auf Treibsand gebaut.
Silchas Ruin. Den Waffen aus jenen Tagen wohnte eine schreckliche Macht inne, doch seine waren zerschmettert worden. Vom Todesschrei einer Matrone der K’Chain Che’Malle.
Das silberne Licht flackerte. Ein körperlicher Ruck – und er fand sich auf seiner Pritsche im Langhaus der Sengars wieder.
An seinen Handflächen und Knien hatte es ihm die Haut abgezogen. Seine Kleider waren feucht von geschmolzenem Eis.
Eine Stimme murmelte aus den Schatten. »Ich habe versucht, dir zu folgen, doch ich konnte nicht. Du bist weit gereist.«
Verblichener. Udinaas rollte sich auf die Seite. »Der Ort, an dem ihr niedergemetzelt worden seid«, flüsterte er. »Ich war dort. Was willst du von mir?«
»Was wollen wir alle, Sklave? Fliehen. Vor der Vergangenheit, vor unserer Vergangenheit. Ich werde dich auf den Pfad führen. Das Blut des Wyrm wird dich schützen …«
»Vor den Edur?«
»Überlass die Bedrohung durch die Edur mir. Und jetzt mach dich fertig. Du hast heute Abend eine Aufgabe zu erfüllen.«
Er hatte geschlafen, doch er fühlte sich erschöpfter und zerschlagener als zuvor. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und stand mühsam auf.
Von zwei ihrer erwählten Sklavinnen begleitet, trat Mayen über die Schwelle und blieb nach zwei weiteren Schritten im Hauptraum stehen. Sie war gertenschlank, und ihre Haut hatte eine etwas dunklere Tönung als bei den meisten anderen. Grüne Augen, von langem, dunkelbraunem Haar eingerahmt, in dem Perlen aus Onyx glitzerten. Eine traditionelle Tunika aus silbernem Robbenfell und ein breiter Gürtel aus perlmuttfarbenen Muscheln. Reifen aus Walelfenbein an Handgelenken und Knöcheln.
Trull Sengar konnte in ihren Augen lesen, dass sie sich ihrer Schönheit mehr als bewusst war, und in dem Blick unter den schweren Lidern hervor lag Dunkelheit, als wäre sie nicht abgeneigt, diese Schönheit einzusetzen, um die Vorherrschaft zu erlangen, und damit eine möglicherweise unerfreuliche Freiheit, in der sie sich ihren Wünschen hingeben könnte.
In diesem Blick lagen alle Arten von Vergnügen und Formen des Hungers, die nichts mit Tugend zu tun hatten, sondern nur mit Verderbtheit. Doch wieder einmal wurde Trull von Selbstzweifeln erschüttert, als er sah, wie seine Mutter vor Mayen hintrat und sie im Namen des Haushalts willkommen hieß. Vielleicht sah er einmal mehr durch Schatten, die er selbst geworfen hatte.
Er lehnte sich zurück, bis sein Rücken die Wand berührte, und warf Forcht einen Blick zu. Verunsicherter Stolz. Im Gesicht seines Bruders war ebenfalls Unbehagen zu erkennen, doch das konnte alle möglichen Gründe haben – die Reise, die sie morgen früh beginnen würden, die Zukunft ihres Volkes. Und gleich hinter ihm stand Rhulad, der Mayen mit seinen Blicken verschlang, als würde allein schon ihre Anwesenheit seinen schrecklichen Appetit stillen.
Mayen ihrerseits ließ den Blick nicht von Uruth.
Sie saugt auf. Sie saugt diese sich überschlagenden Wogen der Aufmerksamkeit in sich auf und nährt sich von ihnen. Duster beschütze mich, bin ich verrückt, dass auf einmal solche Gedanken von den dunklen Orten in meine eigene Seele strömen?
Die formelle Begrüßung war beendet. Uruth trat zur Seite, und Mayen glitt vorwärts, auf den Schwarzholztisch zu, auf dem der erste Gang bereits aufgetragen war. Sie würde am nächsten Ende ihren Platz einnehmen, gegenüber von Tomad, der am Kopfende des Tischs saß. Zu ihrer Linken Forcht, zu ihrer Rechten Uruth. Binadas neben Uruth, und Trull neben Forcht. Rhulad zur Rechten von Binadas.
»Mayen«, sagte Tomad, nachdem sie sich hingesetzt hatte, »willkommen am Herd der Familie Sengar. Es bekümmert mich, dass diese Nacht auch für einige Zeit die letzte sein wird, in der alle meine Söhne hier sind. Sie werden eine Reise für den Hexenkönig unternehmen, und ich bete um ihre sichere Rückkehr.«
»Man hat mich glauben gemacht, dass die Eisfelder Kriegern der Edur nicht allzu gefährlich werden können«, erwiderte Mayen. »Doch ich sehe Ernst und Sorge in deinen Augen, Tomad Sengar.«
»Nichts anderes als die Besorgnis eines betagten Vaters«, sagte Tomad mit einem dünnen Lächeln.
Rhulad ergriff das Wort. »Die Arapay begeben sich nur selten auf die Eisfelder hinaus, aus Furcht vor Heimsuchungen. Außerdem kann das Eis
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