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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Sengar.«
    »Oh, und du bist gekommen, um mich vor einem Aufstand zu warnen?«
    Durch diese Worte fühlte Ahlrada sich offensichtlich beleidigt. »Ich bin nicht dein Verbündeter«, sagte er. »Nicht in dieser Angelegenheit. Canarth hat vor, mit Forcht zu sprechen und einen neuen Kommandanten zu fordern.«
    »Nun, das wäre eine Erleichterung«, sagte Trull. »Und was willst du?«
    »Ich will, dass du dich entschuldigst, bevor Canarth seine Forderung überbringt.«
    Trull schaute weg. Nach Süden, wo auf der anderen Seite von Thetil ein paar verstreute Bauernhöfe lagen. Man sah kein Vieh, man sah keine Arbeiter. Hier hatte es ausreichend geregnet, und alles schimmerte in saftigem Grün. »Eine Sklavin aus Blaurose  – das war sie doch, deine Mutter, oder? Und das war der Grund, warum du dich immer von uns anderen fern gehalten hast.«
    »Ich schäme mich für nichts, Trull Sengar. Wenn du versuchst, mich zu verletzen –«
    Er blickte Ahlrada in die harten Augen. »Nein, ganz im Gegenteil. Ich weiß, dass du mich nicht magst. Tatsächlich hast du mich auch früher nie gemocht – lange bevor ich … eine Frau geschlagen habe. Merkwürdigerweise habe ich dich immer bewundert. Deine Stärke, deine Entschlossenheit, dich über den Status deiner Geburt zu erheben –«
    »Mich darüber zu erheben?« Ahlradas Grinsen war kalt. »Ich habe keineswegs unter einem solchen Drang gelitten, Trull Sengar. Meine Mutter hat mir viele Geheimnisse offenbart, bevor sie gestorben ist. Die Blaurosen sind die Überlebenden eines Krieges, in dem es angeblich keine Überlebenden gegeben hat. Man hat geglaubt, die Edur hätten alle getötet, verstehst du. Man musste das glauben.«
    »Da komme ich nicht mehr mit, Ahlrada Ahn«, sagte Trull. »Wovon sprichst du?«
    »Ich spreche von dem Verrat. Zu jener Zeit, da die Edur und die Andii als Verbündete gegen die K’Chain Che’Malle gekämpft haben. Der Verrat, der nicht so war, wie er in der Geschichte der Edur dargestellt wird. Die Andii waren diejenigen, die verraten wurden, nicht die Edur. Scabandari Blutauge hat Silchas Ruin niedergestochen. Von hinten. All das, was du als Kind gelernt hast und bis heute für wahr hältst, Trull Sengar, war eine Lüge.« Sein Lächeln wurde kälter. »Und jetzt wirst du mich der Lüge bezichtigen.«
    »Die Blaurosen sind Tiste Andii?«
    »Das Blut ist dünner, aber es ist immer noch da.«
    Trull schaute erneut weg. Nach einiger Zeit nickte er langsam vor sich hin. »Ich sehe keine Veranlassung, dich einen Lügner zu nennen, Ahlrada Ahn. Tatsächlich erscheint mir deine Version sinnvoller. Denn wenn wir diejenigen gewesen wären, die verraten wurden, dann müssten wir heute sein wie die Andii – bloße Überbleibsel eines gebrochenen Volkes –«
    »Sie sind nicht so gebrochen, wie du glaubst«, sagte Ahlrada.
    »Du glaubst nicht, dass Blaurose kapitulieren wird? Ist es denn nicht schon ein Protektorat der Letherii? Ein unterworfenes Land?«
    »Sie haben auf so etwas gewartet, Trull Sengar. Schließlich lässt sich die Wahrheit nicht verbergen – sobald die Edur Blaurose erobern, wird entdeckt werden, dass in den Adern der herrschenden Klasse Andii-Blut fließt.«
    »Wahrscheinlich.«
    Sie schwiegen einige Zeit, dann sagte Ahlrada Ahn: »Ich hege keinen besonderen Hass gegen dich, Trull Sengar. Mein Hass gilt allen Tiste Edur.«
    »Ich verstehe.«
    »Tatsächlich? Schau dir die Schattengespenster an. Die Geister, die an die Edur gebunden sind und in diesem Krieg kämpfen müssen. Und die Vergessen finden unter Schwertern aus Letherii-Stahl, dem tödlichen Eisen, gegen das sie sich nicht schützen können. Sie sind Tiste Andii, die Schatten derjenigen, die vor langer Zeit während jenes Verrats gefallen sind.«
    Lilac, der Dämon, meldete sich zu Wort. »Es ist wahr, Trull Sengar. Die Gespenster werden gezwungen, genau wie wir Kenyll’rah. Sie sind nicht eure Vorfahren.«
    »Gegen all diese Dinge kann ich nichts tun«, sagte Trull.
    Ohne noch etwas zu sagen, ging er davon. Von allen gemieden ging er durch das Lager, während der Pfad vor ihm wie durch Zauberei frei von jedem Hindernis war. Trull war nicht unempfänglich für das Gefühl des Bedauerns. Er hätte jenen Augenblick, als er die Beherrschung verloren hatte, als seine Wut durchgebrochen war, gern ungeschehen gemacht. Die Frau hatte Recht gehabt, nahm er an. Zuallererst mussten die verwundeten Edur geheilt werden. Für Dämonen war keine Zeit. Er hätte die Heilerin nicht schlagen

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