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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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heranzog.
    Sie schaute ihm bei der Arbeit zu, fragte sich, wie oft er das wohl schon getan hatte. Wie viele Lichtungen wie diese hatte es gegeben, wie viele Morgende, an denen er als Erster zwischen schnarchenden Soldaten aufgestanden war? So weit weg von allem, was an ein Heim erinnerte. Auf gewisse Weise verstand sie ihn in dieser Hinsicht. Es gab zwei Manifestationen in der Leeren Feste, die sich an diese Natur richteten: Schreiter und Wanderer, wobei die beiden sich nur hinsichtlich ihrer Beweggründe geringfügig voneinander unterschieden.
    Der Bekenner, stellte sie fest, war ein Mann, dem man gut zuschauen konnte.
    Hustend schälte sich Corlo, der Magier, aus seiner Decke und kam ans Feuer gestolpert. »Wo ist der Tee?«
    »Fast fertig«, antwortete Eisenhart.
    »Hab Kopfschmerzen«, sagte Corlo. »Es liegt etwas in der Luft.«
    »Ich hab früher am Morgen Pferde gehört«, berichtete der Bekenner. »Sie haben schrill gewiehert.«
    »Für mich hat der lange genug gezogen.«
    Der Bekenner tauchte eine Schöpfkelle in den Topf und füllte den Zinnbecher, den Corlo ihm hinstreckte.
    Seren sah, dass die Hand des Magiers zitterte.
    »Könnte sein, dass ich heute das Diadem brauche, Bekenner.«
    »Oh, lieber nicht. Lass uns versuchen, das zu vermeiden, wenn’s irgendwie möglich ist.«
    »In Ordnung.«
    »Das Diadem?«, fragte Seren. »Das, was Ihr benutzt habt, um den Pfad in Trate zu öffnen?«
    Corlo warf ihr einen scharfen Blick zu und nickte dann. »Aber nicht dafür. Es sind noch andere Rituale hineingewoben – insgesamt vierzig, genau gesagt. Das eine, das wir vielleicht benutzen müssen, beschleunigt uns, macht uns schneller als normal. Aber wir setzen es so selten wie möglich ein, denn hinterher leiden wir unter Zittern. Und dieses Zittern wird schlimmer, je öfter wir es benutzen.«
    »Zittert Ihr deswegen jetzt?«
    Er starrte auf seine Hand hinunter, nachdem er einen Schluck von dem Kräuteraufguss genommen hatte. »Nein, das ist was anderes.«
    »Es hat irgendetwas mit dem zu tun, was gerade in Brauss passiert – was auch immer das sein mag.«
    »Ja, das vermute ich.«
    »Weck die anderen, Corlo«, sagte Eisenhart. »Freisprecherin, sollten wir einen Bogen um Brauss machen?«
    »Das ist schwierig. Östlich von hier gibt es eine Bergkette. Über die führen keine nennenswerten Pfade hinweg. Wir würden einen, vielleicht auch zwei Tage verlieren, wenn wir diesen Weg nehmen würden.«
    »In Ordnung.«
    »Ich werde mich um die Pferde kümmern«, sagte Seren einen Augenblick später.
    Eisenhart nickte. »Und dann kommt zurück und esst etwas.«
    »Jawohl, Bekenner.«
    Sie freute sich über das Lächeln, das sich zur Antwort auf sein Gesicht stahl, auch wenn es nur schwach war.
     
    Noch bevor das Dorf in Sicht kam, befanden sie sich mitten zwischen den Ruinen. Die meisten waren halb begraben, erhoben sich als Buckel vom Waldboden. Uralte Wurzeln umfassten die Steine, doch sie waren offensichtlich daran gescheitert, Risse in den fremdartigen Felsen zu treiben. Ehemals erhöhte Fußwege bildeten ein verrücktes Netz aus Straßen durch den Wald; sie waren von herabgefallenem Laub bedeckt, widersetzten sich aber ansonsten jeglicher Veränderung. Als sie den Waldrand erreichten, konnten sie eine Reihe überkuppelter Bauwerke verstreut auf der Lichtung vor ihnen liegen sehen, und dahinter die Palisade von Brauss, über der ein düsterer grauer Ring aus Holzrauch hing.
    Die uralten Kuppelbauten besaßen formelle Eingänge, vorspringende, gewölbte Korridore mit Türöffnungen, die so breit wie hoch waren – jeweils etwa drei Mannslängen.
    »Beim Atem des Vermummten«, zischte Corlo. »Daneben wirken selbst die Grabstätten der K’Chain Che’Malle klein.«
    »Ich könnte nicht sagen, dass ich solche Grabstätten schon einmal gesehen –«, begann Seren.
    Doch der Magier schnitt ihr das Wort ab. »Das überrascht mich, denn in diesen Landen gibt es viele derartige Überreste. Sie waren so in etwa eine Mischung aus Echsen und Drachen und sind auf zwei Beinen gegangen. Außerdem hatten sie jede Menge scharfe Zähne – auf dem Markt in Trate hat es immer mal wieder eine Bude gegeben, die alte Zähne und Knochen verkauft hat. Die K’Chain Che’Malle haben einst diesen ganzen Kontinent beherrscht, Schätzchen. Lange bevor die Menschen hierher gekommen sind. Wie auch immer, ihre Gräber sehen ein bisschen wie die da aus, nur kleiner.«
    »Oh. Wir dachten immer, dass das Tarthenal-Gräber sind. In ihnen ist nie

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