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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gegenüber der Art und Weise wäre, in der grundsätzlich einer Kraft entgegengewirkt wird, der Art und Weise, in der die natürliche Welt nach Gleichgewicht strebt. Aber in diesem Streben sehe ich keinen Beweis göttlicher Macht; ich sehe keine lenkende Hand hinter diesen Kräften. Und selbst wenn eine existieren würde, sehe ich keine offensichtliche Verbindung mit den Taten eines Volkes, das sich selbst zu Auserwählten gemacht hat – und für das das Chaos die einzige vernünftige Antwort auf Ordnung ist. Chaos braucht keine Verbündeten, denn es haust wie ein Gift in jedem von uns. Das einzige bedeutungsvolle Bemühen um Gleichgewicht, zu dem ich mich bekenne, ist das in unserem Innern. Es nach außen zu verlagern, setzt innere Vollkommenheit voraus; es setzt voraus, dass der Kampf im Innern vorüber ist  – dass er gewonnen wurde.«
    »Du hast sie getötet.«
    »Die hier, ja. Was den Rest angeht, nein. Dafür bin ich zu spät hier angekommen und habe mich nicht lange genug in Freiheit befunden. Jedenfalls waren damals nur noch ein paar Enklaven übrig. Meine Drachenverwandten haben sich dieser Aufgabe angenommen, da keine andere Entität über die dafür notwendige Macht verfügte. Wie ich schon gesagt habe, waren sie verdammt schwer zu töten.«
    Kessel zuckte die Schultern – und dann hörte sie ihn seufzen.
    »An manchen Orten gibt es immer noch Forkrul Assail, Schätzchen. Größtenteils sind sie gefangen, aber sie sind ständig ruhelos. Und was noch beunruhigender ist – an vielen von diesen Orten werden sie von fehlgeleiteten Sterblichen angebetet.« Er zögerte, sagte dann: »Kessel, du hast keine Ahnung, in was für einer verzweifelten Situation sich der Azath-Turm befunden haben muss. Um eine Seele wie die deine auszuwählen … Es war, als würde er ins Innerste des feindlichen Lagers greifen. Ich frage mich, ob er in seinen letzten Augenblicken so etwas wie Bedauern verspürt hat. Oder Zweifel. Mutter weiß, ich verspüre sie.«
    »Was ist das – diese Seele, von der du sprichst?«
    »Vielleicht wollte er die Macht der Seele benutzen, ohne sie vollständig aufzuwecken. Wir werden es niemals wissen. Aber du bist jetzt auf die Welt losgelassen. Geschaffen, um als Soldat in dem Krieg gegen das Chaos zu kämpfen. Kann der grundlegende Konflikt in deinem Innern beigelegt werden? Deine Seele, Schätzchen? Es ist eine Forkrul-Assail-Seele.«
    »Dann hast du mich also nach Hause gebracht?«
    Seine Hand verriet, dass er plötzlich zusammenzuckte. »Du warst einst auch ein sterbliches menschliches Kind. Und damit ist ein Geheimnis verbunden. Wer hat dich geboren? Wer hat dir das Leben genommen – und warum? War das alles schon die Vorbereitung, damit dein Körper eine Assail-Seele beherbergen konnte? Wenn das der Fall ist, dann wurde der Azath-Turm entweder von jemandem getäuscht, der in der Lage war, mit ihm Kontakt aufzunehmen, oder er hatte in Wahrheit überhaupt nichts damit zu tun, dass du so geschaffen wurdest wie du jetzt bist. Aber das ergibt keinen Sinn – warum sollte der Azath mich anlügen?«
    »Er hat gesagt, du bist gefährlich.«
    Er schwieg einige Zeit. »Oh, du sollst mich töten, nachdem ich die anderen in den Gräbern eingeschlossenen Kreaturen bezwungen habe.«
    »Der Turm ist tot«, sagte Kessel. »Ich muss nichts von dem tun, was er mir gesagt hat. Oder doch?« Sie blickte auf und stellte fest, dass er sie musterte.
    »Welchen Weg wirst du wählen, Kind?«
    Sie lächelte. »Deinen Weg. Außer, wenn du böse bist. Ich werde sehr wütend werden, wenn du böse bist.«
    »Das gefällt mir, Kessel. Am besten bleibst du immer bei mir – vorausgesetzt, wir haben Erfolg bei dem, was wir tun müssen.«
    »Ich verstehe. Es könnte sein, dass du mich vernichten musst.«
    »Ja. Wenn ich kann.«
    Sie deutete mit ihrer freien Hand auf den Knochenhaufen. »Ich glaube nicht, dass du damit große Probleme haben würdest.«
    »Lass uns hoffen, dass es gar nicht erst dazu kommt. Lass uns hoffen, dass die Seele in dir niemals völlig erwacht.«
    »Das wird sie auch nicht. Und darum spielt das alles auch gar keine Rolle.«
    »Warum bist du dir dessen so sicher, Kessel?«
    »Der Turm hat es mir gesagt.«
    »Das hat er? Was hat er zu dir gesagt? Versuche, dich an den genauen Wortlaut zu erinnern.«
    »Er hat niemals in Worten gesprochen. Er hat mir einfach nur Dinge gezeigt. Mein Körper, ganz eingewickelt. Menschen weinten. Aber ich konnte durch den Stoff sehen. Ich war aufgewacht. Ich habe alles mit

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