SdG 11 - Die Kochenjäger
Murmeln. Ein tiefes Ausatmen, danach mehr Bewegung, ehe die Geräusche rhythmisch wurden und die Atemzüge zweier Menschen sich einander anglichen.
Es war in Ordnung. Der Vermummte wusste, dass Barathol nun wirklich nichts gegen den gehetzten Ausdruck in den Augen des jungen Daru tun konnte. Er fügte ein weiteres stummes Gebet hinzu – dass Scillara dem Mann nicht irgendwann untreu werden und ihm damit noch mehr Schaden zufügen mochte. Falls das geschehen sollte, würde sich Schlitzer – davon war Barathol überzeugt – so weit vom Leben zurückziehen, dass er nicht mehr zurückkehren würde.
Wie auch immer, diese Dinge lagen nicht in seiner Macht, und auch das war in Ordnung.
Und daher … zum anderen, entfernteren Geräusch. Ein Säuseln, dessen Rhythmus beharrlicher war als die nun schneller werdenden Laute zweier Menschen, die sich auf der gegenüberliegenden Seite der schwelenden Feuergrube liebten. Wie Wind, der durch Baumkronen strich. Aber hier gab es keine Bäume. Und keinen Wind.
Es ist das Meer.
Die Morgendämmerung rückte näher, ließ den Himmel im Osten fahl werden. Barathol hörte, wie Scillara sich zur Seite rollte; sie keuchte nur leise, aber es dauerte lange, bis sich ihr Atem beruhigte. Wo Schlitzer lag, wurden Decken hochgezogen, dann drehte er sich auf die Seite und war Augenblicke später bereits wieder eingeschlafen.
Scillara setzte sich auf. Feuerstein und Eisen, ein Funkenschwarm, und ihre Pfeife erwachte. Sie hatte am Tag zuvor ihre letzten Münzen verbraucht, um sich wieder mit Rostlaub einzudecken, als sie an einer bescheidenen Karawane vorbeigekommen waren, die ins Landesinnere unterwegs gewesen war. Die Begegnung war überraschend gewesen, als die beiden Gruppen buchstäblich in einer Biegung des felsigen Pfades aufeinander gestoßen waren. Argwöhnische Blicke auf beiden Seiten, und dann hatte sich etwas wie Erleichterung auf den Gesichtern der Händler abgezeichnet.
Der Bann der Pest war gebrochen. Geistergänger der Tanno hatten es verkündet, hatten die selbst auferlegte Abschottung der Otataral-Insel aufgehoben.
Aber Barathol und seine Begleiter waren die ersten lebenden Menschen, denen die Händler begegnet waren, seit sie das kleine, leere Dorf an der Küste verlassen hatten, wo ihr Schiff sie abgesetzt hatte. Die Kaufleute, die Rohstoffe von Rutu Jelba mit sich führten, hatten schon befürchtet, dass sie ein Land betreten hatten, in dem nur noch Geister lebten.
Zwei Tage, in denen Scillara mit Entzugserscheinungen gekämpft hatte, hatten Barathol bereits bedauern lassen, dass er seine Schmiede jemals verlassen hatte. Rostlaub und jetzt ein Schäferstündchen mit dem Daru – die Frau hat ihren Frieden wiedergefunden, dem Vermummten sei Dank.
»Willst du, dass ich mich um das Frühstück kümmere, Barathol?«, fragte Scillara.
Er rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf, musterte sie im fahlen Dämmerlicht.
Sie zuckte die Schultern. »Eine Frau weiß so was. Bist du ungehalten?«
»Warum sollte ich?«, erwiderte er brummig. Er blickte zu Schlitzers immer noch regloser Gestalt hinüber. »Schläft er wirklich wieder?«
Scillara nickte. »In den meisten Nächten schläft er fast gar nicht – wegen der Albträume und seiner Furcht vor ihnen. Da macht es zusätzlich Sinn, sich mal mit ihm unter der Decke zu wälzen – hinterher kann er sich seiner Erschöpfung nicht mehr erwehren.«
»Ich spende dir Beifall für deine Nächstenliebe«, sagte Barathol, während er sich näher an die Feuergrube heranschob und mit der Spitze seines Kochmessers in den schwach glühenden Kohlen herumstocherte. Aus dem Zwielicht zu seiner Rechten tauchte Chaur auf. Er lächelte.
»Das solltest du auch«, antwortete Scillara auf Barathols Kommentar.
Er blickte auf. »Und – ist das alles? Ich meine, von deiner Seite?«
Sie blickte weg, zog kräftig an ihrer Pfeife.
»Tu ihm nicht weh, Scillara.«
»Du Narr, siehst du es nicht? Ich tue genau das Gegenteil.«
»Zu diesem Schluss war ich auch gekommen. Aber was ist, wenn er sich in dich verliebt?«
»Das wird er nicht. Er kann nicht.«
»Warum nicht?«
Sie stand auf und ging zu ihren Packsäcken hinüber. »Bring das Feuer in Gang, Barathol. Ein bisschen heißer Tee sollte die Kälte aus unseren Knochen vertreiben.«
Es sei denn, du hast sonst nichts in ihnen, Frau.
Chaur trat zu Scillara, hockte sich hin und strich ihr über die Haare, während sie die eingewickelten Vorräte auspackte, ohne weiter auf ihn zu
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