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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sich um und stieg zum Achterkastell hinauf – nur um dort eine weitere Gestalt zu entdecken, die an der Heckreling lehnte. Ein Soldat, klein, breit, der Kopf trotz des eisigen Windes unbedeckt. Er war kahl bis auf einen Kranz langer, grauer, zerzauster Strähnen, die von den kalten Böen hin und her gepeitscht wurden. Sie erkannte den Mann nicht.
    Apsalar zögerte kurz – und ging dann schulterzuckend hinüber zu ihm. Als sie neben ihm an die Reling trat, wandte er den Kopf. »Du forderst es geradezu heraus, krank zu werden, Soldat«, sagte sie. »Schlag zumindest deine Kapuze hoch.«
    Der alte Mann knurrte, sagte aber nichts.
    »Ich heiße Apsalar.«
    »Dann willst du im Gegenzug also meinen Namen hören, ja? Aber wenn ich ihn nenne, dann ist es vorbei. Nur noch Schweigen. Es ist immer so.«
    Sie blickte auf das brodelnde Kielwasser hinunter, das hinter dem Heck des Schiffes zurückblieb. Der Schaum phosphoreszierte. »Ich bin eine Fremde in der Vierzehnten Armee«, sagte sie.
    »Ich bezweifle, dass das etwas ändern würde«, sagte er. »Was ich getan habe, ist kein Geheimnis – alle wissen darüber Bescheid.«
    »Ich bin erst vor kurzem ins Reich der Sieben Städte zurückgekehrt.« Sie schwieg einen Moment lang. »Jedenfalls bist du nicht der Einzige, der die Bürde dessen trägt, was er einst getan hat.«
    Er blickte sie erneut an. »Du bist zu jung, um von deiner Vergangenheit heimgesucht zu werden.«
    »Und du, Soldat, bist zu alt, um dich so sehr um deine zu kümmern.«
    Er stieß ein bellendes Lachen aus und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Meer zu.
    Im Osten gaben die Wolken das Angesicht des Mondes frei, das sie bisher verhüllt hatten, aber das Licht, das auf die Erde fiel, war gedämpft, matt.
    »Sieh dir das an«, sagte er. »Ich habe gute Augen, aber der Mond ist vollkommen verschwommen. Das kommt aber nicht von irgendwelchen Wolken. Es ist eine ferne Welt, oder? Eine andere Sphäre, mit anderen Armeen, die im Nebel herumkriechen, einander töten, Kinder hinaus auf die Straße zerren, mit wieder und wieder herabzuckenden roten Schwertern. Und ich wette, dass sie dann und wann aufschauen und sich über den ganzen Staub wundern, den sie aufgewirbelt haben und der es schwer macht, diese andere Welt über ihren Köpfen zu sehen.«
    »Als ich ein Kind war«, sagte Apsalar, »habe ich geglaubt, dass es dort Städte gibt, aber keine Kriege. Einfach nur schöne Gärten, und die Blumen haben immer geblüht, zu jeder Jahreszeit, Tag und Nacht, und die Luft war mit wundervollen Düften erfüllt … ich habe das einmal jemandem erzählt, weißt du. Später hat er mir gesagt, dass er sich in jener Nacht in mich verliebt hat. Bei dieser Geschichte. Er war ziemlich jung, verstehst du?«
    »Und jetzt ist er nur noch diese Leere in deinen Augen, Apsalar.«
    Sie zuckte zusammen. »Wenn du weiter solche Bemerkungen machst, will ich deinen Namen wissen.«
    »Aber das würde es zerstören. Alles. Im Moment bin ich nur ich, einfach ein Soldat wie alle anderen. Dann findest du heraus, wer ich bin, und alles fällt auseinander.« Er verzog das Gesicht, spuckte ins Wasser. »Also gut. Nichts hält ewig an, nicht einmal die Unwissenheit. Ich heiße Blinzler.«
    »Ich hasse es, deinem Ego einen Stich versetzen zu müssen – so gequält, wie es ist –, aber dein Name lässt mir keine welterschütternde Offenbarung zuteilwerden.«
    »Lügst du? Nein, ich sehe, dass du nicht lügst. Nun, das habe ich nicht erwartet, Apsalar.«
    »Und somit verändert sich auch nichts, oder? Du weißt nichts von mir, und ich weiß nichts von dir.«
    »Ich habe ganz vergessen, wie das war. Der junge Mann, was ist mit ihm passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn verlassen.«
    »Du hast ihn nicht geliebt?«
    Sie seufzte. »Die Sache ist kompliziert, Blinzler. Ich habe schon ein bisschen was von meiner Vergangenheit angedeutet. Die Wahrheit ist, dass ich ihn zu sehr geliebt habe. Ich wollte nicht miterleben, wie er so tief in mein Leben hineingerät, in das, was ich war – und immer noch bin. Er hat etwas Besseres verdient.«
    »Du bist eine verdammte Närrin, Frau. Sieh mich an. Ich bin allein. Früher einmal hatte ich keine Eile, das zu ändern. Und dann bin ich eines Tages aufgewacht, und es war zu spät. Jetzt finde ich meinen Frieden nur noch, wenn ich allein bin, aber es ist kein erfreulicher Friede. Ihr beide habt euch geliebt – hast du eine Ahnung, wie selten und kostbar das ist? Ich glaube, du hast etwas in dir zerbrochen

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