SdG 11 - Die Kochenjäger
Freund.
»Wirst du deine eigene Seele verzehren, Mappo Runt?«
»Ich verstehe Euch nicht«, sagte er. »Warum mischt Ihr Euch in mein Vorhaben, meine Suche ein?«
»Weil ich weiß, wo sie hinführen wird«, sagte sie.
»Die Zukunft entfaltet sich also vor Euch, ja?«
»Niemals klar, niemals vollständig. Aber ich kann die Konvergenz, die vor uns liegt, deutlich spüren – sie wird gewaltig sein, Mappo, schrecklicher als alles, was diese oder irgendeine andere Sphäre jemals zuvor gesehen hat. Der Sturz des Verkrüppelten Gottes, Kallors Zorn, die Verwundung bei Morn, das Anketten -neben dem, was kommt, wird all das verblassen. Und du wirst dort sein, denn du bist ein Teil dieser Konvergenz. Ebenso wie Icarium. Und ich … ich werde endlich meiner üblen Schwester von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen – und wenn wir beide miteinander fertig sind, wird nur eine von uns davongehen.«
Mappo starrte sie an. »Werde ich«, flüsterte er, »ihn aufhalten? Am Ende? Oder … ist er das Ende … von allem?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hängen die möglichen Entwicklungen ausschließlich davon ab, wie gut du in jenem Augenblick vorbereitet sein wirst, Mappo Runt – von deiner Gewandtheit, deinem Vertrauen, wenn du so willst.«
Er seufzte lang anhaltend, schloss die Augen und nickte. »Ich verstehe.«
Und da er die Lider gesenkt hatte, konnte er nicht sehen, wie sie zusammenzuckte, genauso wenig, wie er den mitleiderregenden Unterton bemerkte, der in diesem Eingeständnis mitschwang.
Als er wieder zu ihr aufblickte, sah er nichts weiter als ein ruhiges, geduldig wirkendes Gesicht. Kühl, abschätzend. Mappo nickte. »Wie Ihr sagt. Ich werde es … versuchen.«
»Ich habe nichts anderes erwartet, Trell.«
»Still!«, zischte Iskaral Pustl, der immer noch auf dem Deck lag, aber nun bäuchlings. Er sog schnüffelnd die Luft ein. »Riecht ihr sie? Ich tue es. Ich rieche sie! Auf diesem Schiff! Diese Kuh mit ihren verknoteten Eutern! Wo ist sie!?«
Das Maultier schrie erneut.
Taralack Veed hockte vor Icarium. Der Jhag war blasser als je zuvor, eine Folge davon, dass er Tag um Tag in diesem Laderaum verbrachte. Seine Haut hatte einen makabren grünen Farbstich angenommen. Das sanfte Zischen einer eisernen Klinge auf einem Wetzstein war im Moment das einzige Geräusch, doch dann räusperte sich der Gral und sagte: »Noch mindestens eine Woche – diese Edur lassen sich Zeit. Genau wie du haben sie bereits mit ihren Vorbereitungen begonnen, Icarium.«
»Warum zwingen sie mir einen Feind auf, Taralack Veed?« Die Frage klang so lustlos, dass sich der Gral einen Augenblick lang fragte, ob sie rein rhetorisch gemeint war. Er seufzte, fasste sich an den Kopf, um sich zu vergewissern, dass seine Haare so waren, wie sie sein sollten – der Wind oben an Deck war heftig –, und sagte dann: »Mein Freund, du musst ihnen das ganze Maß deiner … kämpferischen Fähigkeiten zeigen. Der Feind, mit dem sie zusammengestoßen sind – anscheinend mehrmals –, hat sich als ebenso unverwüstlich wie wüst erwiesen. Die Edur haben Krieger verloren.«
Icarium fuhr damit fort, die von Kerben übersäte Schneide seines Schwerts zu schleifen. Doch dann machte er eine Pause, betrachtete die Waffe in seinen Händen. »Ich spüre«, sagte er, »ich spüre … dass sie einen Fehler machen. Diese Absicht … mich zu prüfen - wenn das, was du mir gesagt hast, wahr ist. Diese Geschichten von meiner … entfesselten Wut.« Er schüttelte den Kopf. »Weißt du, wem ich gegenübertreten werde?«
Taralack Veed zuckte die Schultern. »Nein, ich weiß sehr wenig - sie trauen mir nicht, und warum sollten sie auch? Ich bin kein Verbündeter – genauer gesagt, wir sind keine Verbündeten.«
»Und doch werden wir schon bald für sie kämpfen. Kannst du den Widerspruch nicht erkennen, Taralack Veed?«
»In der Schlacht, die kommt, gibt es keine richtige Seite, mein Freund. Sie kämpfen ewig gegeneinander, denn beiden Seiten fehlt die Fähigkeit – oder der Wille –, etwas anderes zu tun. Beide dürsten nach dem Blut ihrer Feinde. Du und ich, wir haben all das schon früher erlebt; wir haben gesehen, dass zwei feindselige Kräfte – ganz egal, wie grundverschieden ihre Ursprünge auch sein mögen, ganz egal, wie rechtschaffen eine Seite die Auseinandersetzung beginnt – am Ende praktisch gleich, dass sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Brutalität passt sich der Brutalität an. Dummheit passt sich der Dummheit an.
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