SdG 11 - Die Kochenjäger
Banaschar.«
»Wer könnte besser urteilen?«
»Götter betrügen ihre Anhänger ständig, soweit ich das zu sagen vermag. Mit jedem nicht beantworteten Gebet, mit jedem nicht erfüllten Flehen um Erlösung. Was genau die Dinge sind, die Glauben definieren, möchte ich hinzufügen.«
»Versäumnis, Schweigen und Gleichgültigkeit? Das sind die Definitionen von Glauben, Perl?«
»Wie ich schon sagte – ich bin nicht der richtige Mann für diese Diskussion.«
»Aber sind diese Dinge wirklich Verrat ? «
»Das kommt darauf an, vermute ich. Darauf, ob der angebetete Gott denjenigen, die ihn anbeten, dafür dankbar ist, dass er angebetet wird. Wenn der Gott es nicht ist – wenn es keinen moralischen Pakt gibt –, dann lautet die Antwort: Nein, es ist kein Verrat.«
»Wem gegenüber – für wen – handelt ein Gott?«, fragte Banaschar.
»Wenn wir im Sinne der zuvor genannten Behauptung fortfahren, handelt und antwortet der Gott nur für und in Bezug auf sich selbst.«
»Zu guter Letzt«, sagte Banaschar mit krächzender Stimme und beugte sich vor, »wer sind wir, das zu beurteilen?«
»Ganz wie du sagst.«
»Ja.«
»Wenn allerdings«, sagte Perl, »ein moralischer Pakt zwischen dem Gott und jenen, die ihn anbeten, existiert, dann ist jede Zurückweisung gleichbedeutend mit Verrat!«
»Vorausgesetzt, dass das, was von besagtem Gott gefordert wird, seinerseits einer gewissen Moral verpflichtet ist.«
»Das stimmt. So ist zum Beispiel das Gebet eines Ehemanns, der darum bittet, dass seine Frau bei einem schrecklichen Unfall stirbt, so dass er seine Geliebte heiraten kann, kaum etwas, in das irgendein Gott, der etwas auf sich hält, einwilligen oder an dem er sich beteiligen würde.«
Banaschar hörte den spöttischen Unterton in der Stimme der Klaue, aber er beschloss, ihn nicht weiter zu beachten. »Und wenn seine Frau eine Tyrannin ist, die die Kinder schlägt?«
»Dann würde ein wirklich gerechter Gott handeln, ohne dass Gebete notwendig wären.«
»Was bedeutet, dass das Gebet an sich, das besagter Ehemann gesprochen hat, vorbehaltlos böse ist, ungeachtet seiner Beweggründe?«
»Nun, Banaschar, in meinem Szenario werden seine Beweggründe durch die Anwesenheit einer Geliebten verdächtig.«
»Und wenn diese Geliebte eine höchst liebevolle und fürsorgliche Stiefmutter sein würde?«
Perl schnaubte, wischte mit einer Hand durch die Luft. »Genug davon, verdammt – du kannst dich in diesem moralischen Dilemma suhlen, so lange du willst. Ich kann nicht erkennen, welche Bedeutung …« Er verstummte.
Banaschar wartete, das Herz unter einer Ascheschicht begraben, und zwang sich, weder laut zu schluchzen noch aufzuschreien.
»Sie haben gebetet, aber sie haben nicht gebeten, nicht gebettelt, nicht gefleht«, sagte Perl. »Ihre Gebete waren Forderungen. Der Verrat, den haben sie begangen, oder?« Die Klaue beugte sich vor. »Banaschar. Willst du damit sagen, dass D’rek sie alle getötet hat? Ihre gesamte Priesterschaft? Sie haben sie verraten! Auf welche Weise? Was haben sie gefordert?«
»Es herrscht Krieg«, sagte er mit dumpfer Stimme.
»Ja. Ein Krieg unter den Göttern, ja. Bei den Göttern hienieden. Diese Anbeter haben sich für die falsche Seite entschieden!«
»Sie hat sie gehört«, sagte Banaschar, und er musste sich zwingen, die Worte auszusprechen. »Sie hat gehört, wie sie sich entschieden haben. Für den Verkrüppelten Gott. Und die Macht, die sie gefordert haben, war die Macht des Blutes. Nun, sie ist zu dem Schluss gekommen, dass sie ihnen doch alles gibt, was sie wollen, wenn sie so sehr nach Blut gieren.« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Alles, was sie wollen – «
»Einen Augenblick … Ganz langsam, Banaschar … Warum sollten D’reks Anhänger sich für das Blut entscheiden, für die Macht des Blutes? Das ist eine Ältere Tradition. Was du sagst, ergibt keinen Sinn.«
»Der Kult des Wurms ist sehr alt, Perl. Selbst wir können nicht genau feststellen, wie alt. In Gothos’ Narretei wird eine Göttin erwähnt, die Matrone des Verfalls, die Herrin der Würmer … Ein halbes Dutzend Titel, die sich in den Fragmenten finden lassen, die der Tempel besitzt. Oder die er zumindest einst besessen hat – denn diese Schriftrollen … sind verschwunden!«
»Wann?«
Banaschar brachte ein bitteres Lächeln zustande. »In jener Nacht, in der Tayschrenn aus dem Großen Tempel von Kartool geflohen ist. Er hat sie. Er muss sie haben. Versteht Ihr denn nicht? Irgendetwas ist
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