SdG 11 - Die Kochenjäger
von Hanar Ara, der Stadt der Gefallenen. Von Sha’ik, die erneut wiedergeboren worden war. Leoman und Y’Ghatan, so hatten sie Mathok erzählt, das war in jeglicher Hinsicht ein Fehler, ein Täuschungsmanöver. Und so hatte der Kommandant mitsamt seiner Armee kehrtgemacht und sich auf die lange Suche nach der Stadt der Gefallenen begeben. Um sie zu finden. Um das Heilige Buch in ihre Hände zu geben.
Eine schwierige Reise, eine, die zweifellos ein eigenes Epos verdient hätte.
Und nun stand Mathok vor ihr, und seine Armee lagerte in der Stadt, und Felisin saß mit all ihren Fettpolstern und von Rauch umwabert da und überlegte, wie sie ihm sagen konnte, was er hören wollte – was sie alle hören wollten, selbst Kulat.
Nun, sie würde … direkt sein. »Ich danke dir, Mathok, dass du mir das Buch Dryjhnas gebracht hast. Und ich danke dir auch, dass du mir deine Armee gebracht hast. Leider benötige ich beide Geschenke nicht.«
Mathok zog nervös die Brauen hoch. »Wiedergeborene Sha’ik, du kannst mit dem Buch machen, was du willst. Was meine Krieger angeht, brauchst du sie leider dringend. Eine malazanische Armee nähert sich – «
»Ich weiß. Aber ihr seid nicht genug. Außerdem brauche ich keine Krieger. Meine Armee marschiert nicht in Reihen. Meine Armee trägt weder Waffen noch Rüstungen. Und wenn sie erobert, tötet meine Armee keinen einzigen Gegner, versklavt sie niemanden, vergewaltigt sie nicht ein einziges Kind. Das, was meine Armee bringt, ist Erlösung, Mathok. Das Versprechen auf Erlösung. Die Einladung zur Erlösung.«
»Und was ist mit den Malazanern?«, fragte T’morol mit seiner rauen Stimme und fletschte die Zähne. »Ihre Armee trägt Waffen und Rüstungen. Ihre Armee marschiert in Reihen, Heilige, und im Augenblick marschiert sie geradewegs auf unseren Arsch zu.«
»Kulat«, sagte Felisin. »Such einen Platz für das Heilige Buch. Lass die Kunsthandwerker ein neues vorbereiten, mit leeren Seiten. Es wird ein zweites heiliges Buch geben. Mein Buch der Erlösung. Auf seiner ersten Seite schreibst du nieder, was hier an diesem Tag gesagt worden ist, Kulat, und gewährst dabei allen Anwesenden die Ehre, die sie verdient haben. Mathok und T’morol, ihr seid in der Stadt der Gefallenen höchst willkommen. Genau wie eure Krieger. Doch ihr müsst verstehen, dass die Tage des Gemetzels, des Krieges, vorüber sind. Legt eure Säbel und eure Schilde und eure Bogen nieder. Befreit eure Pferde von ihren Sätteln und lasst sie auf den hochgelegenen Weiden in den Hügeln an der Quelle Denet’inar frei umherlaufen. Sie sollen dort den Rest ihres Lebens verbringen, gesund und in Frieden. Mathok, T’morol, seid ihr damit einverstanden?«
Der Kommandant starrte auf das uralte Buch in seinen Händen, und Felisin sah, wie sich auf seinen Gesichtszügen ein höhnisches Lächeln ausbreitete. Er spreizte die Hände. Das Buch fiel zu Boden, landete auf dem Rücken. Bei dem Aufprall brach die Bindung. Uralte Seiten rutschten heraus. Ohne auf Felisin zu achten, wandte sich Mathok an T’morol. »Sammle die Krieger. Wir werden unsere Vorräte auffüllen, soweit es nötig ist. Danach brechen wir auf.«
T’morol sah zum Thron und spuckte vor dem Podest auf den Fußboden. Dann wirbelte er herum und schritt aus dem Zimmer.
Mathok zögerte, blickte Felisin schließlich aber doch noch einmal an. »Wiedergeborene Sha’ik, du wirst zweifellos meine Schamanen aufnehmen, ungeachtet der Schmach, die hier geschehen ist.
Ich lasse sie bei dir. Überlasse sie dir. Was deine Welt betrifft, deine aufgedunsene abscheuliche Welt und ihre giftige Erlösung, so überlasse ich sie dir ebenfalls. Für all das ist Leoman also gestorben. Für all das hat Y’Ghatan gebrannt.« Er musterte sie noch einen Augenblick lang, dann drehte er sich um und verließ den Thronsaal.
Kulat hastete herbei und sank neben dem Buch mit dem gebrochenen Rücken auf den Boden. »Es ist zerstört!«, sagte er, und seine Stimme verriet Entsetzen.
Felisin nickte. »Ganz und gar.« Sie lächelte über ihren eigenen Witz.
»Viertausend, schätze ich«, sagte Faust Rythe Bude.
Die Rebellenarmee hatte entlang eines Grats Position bezogen. Berittene Krieger, Lanzenreiter, Bogenschützen, doch keiner von ihnen hatte eine Waffe in der Hand. Die runden Schilde waren immer noch auf die Rücken geschnallt, die Köcher geschlossen, die Bogen ungespannt und an den Sätteln befestigt. Zwei Reiter hatten sich aus den Reihen gelöst und lenkten ihre
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