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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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verstand ihren neuen Gott jetzt. Endlich. Bidithal hatte ganz und gar unrecht gehabt – dies war kein Glaube der Enthaltsamkeit. Die Apokalypse wurde in der Ausschweifung verkündet. Die Welt endete in einer Schwemme, und so, wie ihre eigene Seele ein bodenloser Kessel war, waren es auch die Bedürfnisse der gesamten Menschheit, und sie war die vollkommene Repräsentantin, was das anging. Wie die Menschen alles verschlangen, was sie umgab, tat auch sie es.
    Als Wiedergeborene Sha’ik war es ihre Aufgabe, hell und rasch zu brennen – und dann zu sterben. In den Tod zu gehen, in dem die wahre Erlösung lag, das Paradies, von dem Kulat wieder und wieder sprach. Merkwürdig war, dass sich Felisin zwar damit abmühte, sich dieses Paradies vorzustellen, sie aber nur Visionen heraufbeschwören konnte, die zu dem passten, was sie jetzt umschloss, da ihr jeder Wunsch ohne Zögern, ohne Bewertung erfüllt wurde. Vielleicht würde es so sein – für alle. Aber wenn alle so ein Dasein führen würden, wo waren dann die Diener?
    Nein, sagte sie zu Kulat, es musste unterschiedliche Stufen der Erlösung geben. Makelloser Dienst in dieser Welt wurde mit absoluter Trägheit in der anderen belohnt. In Demut, Selbstaufopferung und äußerster Knechtschaft zu leben – das war es, was allenthalben als erstrebenswert galt. Das einzige Problem bei dieser Vorstellung, die Kulat bereitwillig übernommen und in Edikte verwandelt hatte, war Felisins eigene Stellung: Würde ihre gegenwärtige Trägheit – ihr Schwelgen in all den Exzessen, die den anderen erst für die Zeit nach ihrem Tod versprochen waren – womöglich ein jenseitiges Leben nach sich ziehen, das aus brutaler Versklavung bestand und in dem sie dann die Bedürfnisse aller anderen zu befriedigen hatte?
    Kulat versicherte ihr, dass sie keinen Grund zur Besorgnis habe. Im Leben war sie die Verkörperung des Paradieses, das Symbol des Versprechens. Doch nach ihrem Tod würde die Erlösung folgen. Sie war schließlich die Wiedergeborene Sha’ik, und das war keine Rolle, die sie sich freiwillig ausgesucht hatte. Sie war ihr aufgedrängt worden, und das war die größte Art der Knechtschaft von allen.
    Er war sehr überzeugend, auch wenn tief in ihrem Innern ein winziger Splitter des Zweifels blieb, ein paar Gedanken, die hintereinander her stolperten: Ohne Ausschweifungen würde ich mich besser fühlen, was mich seibst betrifft. Ich wäre wieder so, wie ich einst war, als ich mit Schlitzer und Scillara, mit Graufrosch und Heboric Geisterhand durch die wilden Lande wandelte. Ohne alle diese Diener wäre ich in der Lage, für mich selbst zu sorgen und klar zu erkennen, dass ein Leben in Mäßigung besser ist als all das hier. Ich würde erkennen, dass dies ein vergängliches Paradies ist, das Fehler wie Blumen züchtet, das nur tödliche Wurzeln nährt, das jegliches Lehen in mir erstickt, bis ich nur noch … das hier habe.
    Das hier. Diesen umherschweifenden Geist. Felisin die Jüngere versuchte mühsam, sich zu konzentrieren. Zwei Männer standen vor ihr. Ihr wurde klar, dass sie schon einige Zeit dort standen. Kulat hatte sie angekündigt, obwohl das eigentlich nicht notwendig gewesen wäre, denn sie hatte gewusst, dass sie kommen würden. Und tatsächlich erkannte sie sie beide. Diese harten, verwitterten Gesichter, die Spuren von Schweiß in all dem Staub, die abgetragenen Lederrüstungen, die runden Schilde und die Krummsäbel an ihren Hüften.
    Derjenige, der näher bei ihr stand, war groß, grimmig. Mathok, der in der Armee der Apokalypse die Wüstenstämme befehligte. Mathok, Leomans Freund.
    Und einen Schritt hinter dem Kommandanten Mathoks Leibwächter T’morol, der aussah wie ein aufrecht gehender, unbehaarter Wolf und die kalten, eindringlichen Augen eines Jägers hatte.
    Sie hatten ihre Armee, ihre Krieger mitgebracht.
    Das hatten sie mitgebracht … und noch mehr …
    Felisin die Jüngere wandte den Blick von Mathoks Gesicht ab, senkte ihn auf das zerfledderte ledergebundene Buch in seinen Händen. Das Heilige Buch Dryjhnas, der Apokalyptischen. Während Leoman die Malazaner zu einer wilden Jagd verleitet und in die Falle namens Y’Ghatan gelockt hatte, waren Mathok und seine Wüstenkrieger still und heimlich gereist und hatten jeden Kontakt vermieden. Es war beabsichtigt gewesen, hatte Mathok erklärt, sich in Y’Ghatan wiederzutreffen, aber dann hatte die Pest zugeschlagen, und die Schamanen in seinen Truppen waren von Visionen heimgesucht worden.
    Visionen

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