SdG 11 - Die Kochenjäger
verstehen, warum wir Eure Befehle nicht ausführen können?«
Der Mann wirbelte herum und starrte ihn an, in seinen Augen standen Entsetzen und Panik. »Und dieses verdammte Schiff hier?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Und das andere, das gerade angelegt hat? Faust Keneb – «
»Sind beide pestfrei, Hauptmann, genau wie das Schiff, von dem die Roten Klingen gekommen sind. Wir hätten hier nicht angelegt, wenn es anders wäre. Wie auch immer, außer über Signalflaggen gibt es keinen Kontakt unter den Schiffen. Aus offensichtlichen Gründen. Ich nehme an, wenn Ihr glaubt, die Imperatrix würde trotz allem darauf bestehen, dass wir allesamt an Land gehen, uneingedenk der unzähligen Toten, die unsere Anwesenheit dieser Insel bescheren würde – und unausweichlich auch dem Festland –, könnt Ihr darauf bestehen, unsere auf Mitleid und Erbarmen gegründete vereinte Geste zu widerrufen. Der Name Hauptmann Rynag wird daraufhin fraglos einen legendären Status erlangen, zumindest bei den Anhängern Poliels – aber es ist ja nicht falsch, die positiven Seiten zu sehen, meint Ihr nicht auch?«
Die Gruppe kam der Mauer aus Streitlust, die die Straßen blockierte, immer näher. Kalam lockerte seine Langmesser in den Scheiden. Als er sich umblickte, stellte er fest, dass er neben Hauptmann Lostara Yil ging – und sie sah zutiefst unglücklich aus.
»Ich würde vorschlagen, dass Ihr jetzt alle Eure Waffen zieht«, sagte der Assassine zu ihr. »Das sollte reichen, um sie zurückweichen zu lassen.«
Sie schnaubte. »Bis sie anfangen, mit Pflastersteinen zu werfen.«
»Das bezweifle ich. Wir sind für die Imperatrix bestimmt, nicht für diese Leute hier. Diejenigen, die sie gern in die Finger kriegen würden, befinden sich draußen auf den Transportschiffen. Die Wickaner. Die Verbrannten Tränen der Khundryl.«
»Ein schlauer Trick«, sagte Lostara leise, »diese Flaggen.«
»Faust Keneb.«
»Tatsächlich?«
»Ja.« Auf einmal lächelte Kalam. »Der Weber des Todes. Eine bessere Lüge werdet Ihr nicht finden. Fid grinst vermutlich von einem Ohr zum anderen, wenn er nicht ertrunken ist.«
»Ertrunken?«
»Er war über Bord, bevor die Silanda die Ruder eingezogen hat, vermute ich – wahrscheinlich sind Gesler und Stürmisch mit ihm gegangen.«
In diesem Augenblick erreichten sie die erste Reihe der Stadtwache, die auseinanderstrebte, um sie durchzulassen.
Waffen glitten zischend aus Scheiden, und die Roten Klingen hoben ihre Schilde.
Wie Kalam es vorhergesagt hatte, verstummte die Menge lauernd und wich auf beiden Seiten zurück, so dass sie durch die Gasse gehen konnten, die sich gebildet hatte.
»So«, sagte der Assassine leise, »jetzt haben wir einen langen, langweiligen Fußweg vor uns. Nebenbei bemerkt war es eine gute Idee, Hauptmann, dass Eure Faust beschlossen hat, ohne Befehl zu handeln.«
»War es das, Kalam Mekhar?«, fragte sie und warf ihm einen Blick zu, bei dem Kalam am ganzen Körper der Schweiß ausbrach.
»Nun – «
Sie blickte wieder nach vorn. »Die Faust«, flüsterte sie, »hat noch nicht einmal angefangen.«
Nun … oh, das ist ganz und gar nicht gut.
Hinter ihnen schloss sich der Gang in der Menge wieder, und dann stiegen neue Schreie in die Luft. Dieses Mal waren es Entsetzensschreie.
»Pestflaggen! Auf den Transportschiffen in der Bucht! Pestflaggen!«
Binnen weniger Augenblicke rann die Streitlust wie Pisse unter dem gehobenen Bein eines Hundes dahin, und die Menschen zerstreuten sich in alle Richtungen, kaum einen Herzschlag von reiner wilder Panik entfernt. Kalam lächelte in sich hinein.
Auch wenn es nur ganz schwach war, hatte das Klappern von hüpfenden, schlitternden Knöchelchen Banaschar aufmerksam werden lassen. In dieser Nacht war der Wurm wach, und dadurch waren auch die alten Empfindlichkeiten für jeden Hauch von Magie bei dem ehemaligen Priester zurückgekehrt. Als er daraufhin die Richtung änderte und sich in einer Sackgasse auf den Boden kauerte, spürte er in schneller Abfolge mehrmals das Pulsieren von Zauberei: ein Tor, das einen winzigen Spalt geöffnet wurde, das plötzliche, gewaltsame Entwirren eines unsichtbaren Wandteppichs und dann schließlich ein Zittern unter ihm, als wäre gerade etwas Riesiges und Schreckliches auf das trockene Land dieser Insel getreten.
Noch ganz benommen von den aufeinanderfolgenden Wogen bösartiger Macht, richtete Banaschar sich wieder auf, stütze sich an einer schmutzigen Mauer ab und eilte davon –
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