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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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auf die Möglichkeit, die Wege des Guten zu erlernen, uns in Mitgefühl, Einfühlungsvermögen, Leidenschaft und Heilen zu üben – all das bleibt unbeachtet in unserer Hast, an einen Ort des Ruhms und der Schönheit zu gelangen, einen Platz, den wir uns nicht verdient haben und den wir ziemlich sicher auch nicht verdienen.
     
    Die apokryphen Lehren des Tanno-Geistergängers Kimloc
    Das Jahrzehnt in Ehrlitan

C
    haur hielt das Kind so, als wollte er es auf seinem Knie reiten lassen, aber Barathol legte dem großen Mann eine Hand aufs Handgelenk. Der Schmied schüttelte den Kopf. »Dafür ist sie noch nicht alt genug. Nimm sie dicht an dich, Chaur, damit nichts kaputtgeht.«
    Der Mann antwortete ihm mit einem breiten Lächeln und machte sich wieder daran, den gewickelten Säugling zu hätscheln und zu wiegen.
    Barathol Mekhar lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, streckte die Beine aus und schloss für einen Moment die Augen, um deutlich zu machen, dass er den Streit im Nebenraum nicht beachtete, wo sich die Frau namens Scillara den vereinten Bemühungen von L’oric, Nulliss, Filiad und Urdan widersetzte, die alle darauf bestanden, dass sie das Kind annahm, wie es der Verantwortung einer Mutter entsprach, wie es der Pflicht einer Mutter und vielem mehr entsprach, das sie ihr in einer ganzen Menge anderer schuldbeladener Begriffe wie Steine entgegenschleuderten. Barathol konnte sich nicht erinnern, wann die beteiligten Dorfbewohner das letzte Mal so viel Eifer für irgendetwas gezeigt hatten. Natürlich war es in diesem Falle besonders leicht, denn es kostete sie nichts.
    Der Schmied musste zugeben, dass er die Frau in gewisser Weise bewunderte. Kinder waren in der Tat lästig, und dies hier war ganz sicher kein Kind der Liebe; von daher erschien Scillaras Mangel an Zuneigung vollkommen verständlich. Auf der anderen Seite widerte ihn die Wildheit der Leute aus seinem Dorf einigermaßen an und bereitete ihm sogar leichte Übelkeit.
    Hayrith tauchte im Hauptraum auf. Noch kurz zuvor hatte sie stumm die Tiraden im Nebenraum mit angehört, wo sie Scillaras Bettgestell aufgebaut hatten. Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Idioten. Aufgeblasene, geschwätzige Trottel! Hör dir bloß die ganze Frömmigkeit an, Barathol! Man könnte glauben, dieses Kind wäre der wiedergeborene Imperator!«
    »Das mögen die Götter verhüten«, murmelte der Schmied.
    »Jessa im letzten Haus an der Oststraße, die hat diesen Winzling mit den verkrüppelten Beinen, der es nicht schaffen wird. Alle hier wissen, dass sie dieses Geschenk nicht zurückweisen würde.«
    Barathol nickte, ein bisschen willkürlich, denn er war mit seinen Gedanken ganz woanders.
    »Und außerdem ist da noch Jessa im zweiten Stock des Hauses, wo früher der Handelsvertreter gewohnt hat, auch wenn sie in fünfzehn Jahren nie Milch hatte. Trotzdem wäre sie eine gute Mutter, und dieses Dorf könnte ein jammerndes Kind gut gebrauchen, um all die jammernden Erwachsenen zu übertönen. Sollen die beiden Jessas sich doch zusammen darum kümmern, und alles ist bestens.«
    »Es ist L’oric«, sagte Barathol.
    »Was sagst du?«
    »L’oric. Er ist einfach zu anständig. Oder, genauer, er entflammt alles, was er berührt, mit seiner Anständigkeit.«
    »Nun, es geht ihn nichts an, oder?«
    »Leute wie er machen alles zu ihrer eigenen Sache, Hayrith.«
    Die Frau zog sich einen Stuhl heran und setzte sich dem Schmied gegenüber hin. Sie musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Wie lange willst du warten?«, fragte sie.
    »Ich werde aufbrechen, sobald der Junge – Schlitzer – reisen kann«, sagte Barathol. Er rieb sich das Gesicht. »Den Göttern sei Dank, dass der Rum weg ist. Ich hatte ganz vergessen, was er dem Bauch einen Mannes antun kann.«
    »Es war L’oric, stimmt’s?«
    Er zog die Brauen hoch.
    »Dass er hier aufgetaucht ist, hat dich nicht einfach nur entflammt – es hat dich verbrannt, Barathol. Sieht aus, als hättest du früher mal ein paar schlimme Dinge getan« – sie schnaubte – »als würde dich das von uns anderen unterscheiden. Aber du hast gedacht, du könntest dich hier für immer verstecken, und jetzt weißt du, dass das nicht der Fall sein wird. Außer natürlich«, sie kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, »du tötest L’oric.«
    Der Schmied blickte zu Chaur hinüber, der Grimassen schnitt und gurrende Geräusche machte, während das Kind im Gegenzug Blasen zu produzieren schien, bis jetzt noch auf glückselige Weise in völliger

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