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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gezwungen wird. Ist dies irgendeine für die Edur typische Art königlicher Unzufriedenheit oder Strafe? Oder wollen die Scheißkerle tatsächlich wissen, was wir vorhaben? Bruthen sagt nie etwas. Niemals. Er fragt noch nicht einmal, welche Strafe auf unsere Urteile folgt. Darüberhinaus ermüdet mich seine unverschämte Ungeduld. Es könnte sich der Mühe wert erweisen, ein paar Nachforschungen anzustellen.«
    Tanal zog die Brauen hoch. »Ich soll Nachforschungen über einen Tiste Edur anstellen?«
    »Natürlich still und unauffällig. Zugegeben, sie tun immer so - und das sehr überzeugend -, als wären sie alle bedingslos loyal, aber ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob tatsächlich sämtliche Edur dagegen gefeit sind, zu Aufwieglern zu werden.«
    »Mit dem allerhöchsten Respekt, Herr, aber selbst wenn sie es nicht sind, weiß ich nicht, ob die Patriotisten die geeignete Organisation sind …«
    »Tanal Yathvanar«, unterbrach ihn Karos scharf, »die Patriotisten besitzen den Imperialen Freibrief, das Imperium zu kontrollieren und zu überwachen. In besagtem Freibrief wird kein Unterschied zwischen Edur und Letherii gemacht, nur zwischen loyalen und nicht loyalen Bürgern.«
    »Ja, Herr.«
    »Nun, ich glaube, dass gewisse Aufgaben auf dich warten.« Tanal Yathvanar verbeugte sich und verließ das Zimmer.
     
    Das Anwesen erhob sich auf einem ausgedehnten Stück Land am Nordufer des Lether, vier Straßen westlich des Quillas-Kanals. Abgestufte Mauern, die seine Grenzen kennzeichneten, zogen sich bis zum Ufer hinunter und - auf Pfeilern, um den Druck der Strömung zu verringern - mehr als zwei Bootslängen weit ins Wasser. Gleich dahinter ragten zwei Anlegestangen in die Höhe. Vor kurzem hatte es eine Überschwemmung gegeben. Ein Ereignis, das im vergangenen Jahrhundert nur selten stattgefunden hatte, wie Rautos Hivanar bemerkte, als er das Hausbuch durchblätterte - einen familieneigenen Wälzer voller Berichte und Karten, in dem alles Wichtige aus den ganzen achthundert Jahren aufgezeichnet war, die die Hivanars schon in diesem Land lebten. Er lehnte sich in seinem Plüschsessel zurück und trank mit beschaulicher Mattigkeit seinen Balat-Tee aus.
    Venitt Sathad, sein Hausverwalter und Erster Bevollmächtigter, trat leise vor, um das Buch wieder zurück in die aus Holz und Eisen bestehende Truhe zu legen, die unter dem Kartentisch im Fußboden versenkt war; danach schob er die Bodendielen wieder an Ort und Stelle und breitete den Teppich darüber aus. Als er damit fertig war, zog er sich an seinen angestammten Platz neben der Tür zurück.
    Rautos Hivanar war ein großer Mann mit gesunder Gesichtsfarbe und ausdrucksstarken Zügen. Er neigte dazu, einen Raum zu beherrschen, ganz egal, wie groß dieser auch sein mochte. Jetzt saß er in der Bibliothek des Anwesens, an deren Wänden rundum bis zur Decke reichende Regale standen. Auf den Regalbrettern gab es nirgends ein freies Fleckchen, sie waren mit Schriftrollen, Tontafeln und gebundenen Büchern vollgestopft - das zusammengetragene Wissen von tausenden von Gelehrten, von denen viele den Namen Hivanar getragen hatten.
    Als Oberhaupt der Familie und Verwalter ihrer gewaltigen finanziellen Beteiligungen war Rautos Hivanar ein vielbeschäftigter Mann, und seit der Eroberung durch die Tiste Edur - die zur offiziellen Gründung und Anerkennung des Freiheits-Konsortiums geführt hatte, einer Vereinigung der reichsten Familien des letheriischen Imperiums - hatten sich die Anforderungen an seinen Verstand auf eine Weise vervielfacht, die er sich nie hätte träumen lassen. Es wäre ihm nicht leichtgefallen zu erklären, wie ermüdend und entnervend er all diese Tätigkeiten fand. Aber genau das waren sie geworden, selbst als sein Verdacht sich langsam und allmählich in Gewissheit verwandelt hatte; selbst als er angefangen hatte zu begreifen, dass es irgendwo da draußen einen Feind - oder deren mehrere - gab, dessen einziges Ziel es war, die Wirtschaft zu schädigen. Hier handelte es sich nicht mehr um einfache Veruntreuungen - etwas, womit er selbst überaus vertraut war -, sondern um etwas viel Weitgehenderes, Allumfassenderes. Um einen Feind, Einen Feind all dessen, worauf Rautos Hivanar sich stützte - er und das Freiheits-Konsortium, dessen Vorsitzender er war; oder, genauer gesagt, einen Feind all dessen, worauf sich das Imperium selbst stützte, unabhängig davon, wer gerade auf dem Thron saß, ja, sogar unabhängig von den wilden, armseligen Barbaren,

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