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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Kratzen auf seinem Rücken aufhörte.
    Und jetzt kam der Gestank. Verschwunden? Oh nein, sie sind hier. Alle. All diejenigen, die Karos Invictad nicht gemocht oder nicht gebraucht hat oder die er aus dem Weg haben wollte.
    Hinein in den ersten großen Raum mit der Kuppeldecke, weiter den steinernen Gehweg entlang, der um einen tiefen Brunnen herumführte, in dem Krabben mit weißen Panzern zwischen Knochen herumturnten. Dieser Brunnen war voll, was dazu geführt hatte, dass ein anderer geöffnet werden musste, dann noch einer und noch einer - es gab so viele von ihnen, hier unten unter dem Fluss.
    Als Tanal im letzten Raum ankam, legte er sie auf den Boden und kettete sie mit einer Fußschelle an die Wand. Sie hatte links und rechts Geselllschaft, allerdings war keines der beiden Opfer noch am Leben. Er trat zurück, als sie sich zu rühren begann.
    »Das ist nur für kurze Zeit«, sagte er. »Du wirst dich noch nicht zu deinen Freunden neben dir gesellen. Wenn ich zurückkomme - und das wird nicht lange dauern -, werde ich dich wieder woandershin bringen. In eine neue Zelle, die niemand außer mir kennt. Dort werde ich dir beibringen, mich zu lieben. Du wirst schon sehen, Janath Anar. Ich bin nicht das Ungeheuer, für das du mich hältst. Karos Invictad ist das Ungeheuer - er hat mich verdreht, er hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Aber Karos Invictad ist kein Gott. Und auch nicht unsterblich. Oder … unfehlbar. Wie wir alle feststellen werden. Er glaubt, ich will sie, diese Hure des Imperators - diese dreckige, entehrte Schlampe. Er könnte sich gar nicht mehr irren. Oh, es gibt jetzt so viel zu tun, aber ich verspreche dir, ich werde nicht lange weg sein. Du wirst sehen, meine Liebe …«
     
    Als sie erwachte, hörte sie, wie seine Schritte sich entfernten, wie sie immer leiser wurden und schließlich im Plitschen und Platschen des tröpfelnden und rinnenden Wassers untergingen. Es war dunkel. Und kalt. Kälter, als es je zuvor gewesen war - sie war jetzt woanders, in irgendeinem anderen Gewölbe. Aber immer noch im gleichen Alptraum.
    Sie hob eine Hand - so gut sie konnte - und wischte sich über das Gesicht. Danach war ihre Hand schleimig feucht. Doch … die Ketten, sie sind weg. Sie versuchte, die Beine anzuziehen, und hörte fast sofort Kettenglieder über Stein rasseln. Oh, nicht ganz.
    Und jetzt kam der Schmerz - alle ihre Gelenke brannten wie Feuer. Bänder und Sehnen, die so lange gedehnt worden waren, begannen, sich nun wie brennende Seile zusammenzuziehen - oh, hol mich der Abtrünnige - Sie öffnete erneut blinzelnd die Augen, und je mehr ihr Bewusstsein zurückkehrte, desto deutlicher spürte sie einen wilden Hunger, der sich in ihrem geschrumpften Magen wand. Wässrige Abgänge tröpfelten aus ihr.
    Es hatte keinen Sinn zu weinen. Keinen Sinn, sich zu fragen, wer von ihnen verrückter war - er mit seinen niederen Trieben und seiner sinnlosen Grausamkeit oder sie, die sich so hartnäckig an diesen kläglichen Rest Leben klammerte. Ein Kampf der Willen, aber ein durch und durch ungleicher Kampf - tief in ihrem Innern wusste sie das, hatte es schon die ganze Zeit gewusst.
    All die großen Vorlesungen, die sie sich nach und nach ausgedacht hatte, erwiesen sich als hohle Einbildung, deren Geschmack zu bitter war, um ihn zu ertragen. Er hatte sie besiegt, denn seine Warfen hatten nichts mit Vernunft zu tun - und so habe ich mit meinem eigenen Wahnsinn geantwortet. Ich dachte, es würde klappen. Stattdessen habe ich am Ende all das ausgeliefert, was ich einmal hatte und was einmal etwas wert war.
    Und daher kann ich jetzt, wo die Kälte des Todes sich in mich hineinstiehlt, nur davon träumen, ein rachsüchtiger Geist zu werden, darauf erpicht, denjenigen zu quälen, der mich gequält hat, so zu ihm zu sein, wie er zu mir war. Und zu glauben, dass so ein Ausgleich angemessen ist. Gerecht ist.
    Wahnsinn. Das Gleiche zurückzugeben heißt, gleich zu sein.
    Und jetzt lass mich von hier fortgehen, für immer fortgehen …
    Und sie spürte, wie der Wahnsinn nach ihr griff, sie in eine Umarmung zog, die ihren Sinn für ihr Selbst wegfegen würde, ihr Wissen darüber, wer sie gewesen war - diese stolze, selbstgefällige Gelehrte, die mit ihrem tadellosen Verstand die Welt neu ordnete. Bis selbst die Sachlichkeit nur noch eine wunderliche Idee war, nicht einmal einer Abhandlung wert, weil die Welt draußen es eigentlich nicht wert war, dass man ihr die Hand ausstreckte - außerdem war sie besudelt, nicht wahr?

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