SdG 12 - Der Goldene Herrscher
das Heft in die Hand nimmt.
Jetzt wurde es Zeit für den großen Tisch, der von all den Sachen überquoll, die er am liebsten aß.
Sie sagten, er sei so dürr wie ein Gespenst.
Aber jede Nacht schlug er sich den Bauch voll.
Als das Licht der Dämmerung die Schatten in die Klüfte und Täler zurückdrängte, wickelte Seren Pedac sich aus ihren Pelzen und stand auf. Sie fühlte sich schmutzig und zerzaust. Die Höhe ließ ihre Kehle kratzig und die Augen trocken werden, und ihre Allergien machten alles nur noch schlimmer. Sie zitterte, während sie im schneidenden Wind Forcht Sengar bei seinen Bemühungen zusah, das Feuer wieder zu entfachen. Holz, das lange gefroren war, wollte so gar nicht brennen. Kessel hatte ein paar Büschel Gras gesammelt und hockte sich jetzt mit ihren Errungenschaften neben den Tiste Edur.
Ein raues Husten ertönte von dort, wo Udinaas noch immer in seinen Pelzen lag. Wenige Augenblicke später setzte er sich langsam auf. Sein Gesicht war vom Fieber gerötet, die Stirn schweißnass, seine Augen trübe. Er gab ein abgehacktes Geräusch von sich, das Seren erst mit einiger Verspätung als Lachen erkannte.
Forchts Kopf fuhr herum, als hätte ihn eine Wespe gestochen. »Das erheitert dich? Hättest du lieber eine weitere kalte Mahlzeit, um mit ihr den Tag zu beginnen?«
Udinaas starrte den Tiste Edur blinzelnd an, zuckte dann die Schultern und schaute weg.
Seren räusperte sich. »Was auch immer ihn erheitert hat, hatte nichts mit Euch zu tun, Forcht.«
»Sprecht Ihr jetzt für mich?«, fragte Udinaas sie. Er stand schwankend auf, immer noch in seine Pelze gewickelt. »Das hier könnte auch einfach nur ein weiterer Traum sein«, sagte er. »Der weißhäutige Krieger, der da drüben hockt, könnte sich jederzeit in einen Drachen verwandeln. Und Kessel, das Kind, wird ihren Mund wie eine Tür öffnen, und in diese Tür wird dann Forcht Sengar stürzen, von seinem eigenen Hunger nach Verrat verschlungen.« Seine ausdruckslosen, trüben Augen richteten sich auf Seren Pedac. »Und Ihr werdet verlorene Zeitalter beschwören, als ob die Verrücktheiten der Geschichte irgendeine Bedeutung hätten.«
Das Surren und Klicken einer Kette unterstrich die bizarren Aussagen.
Udinaas blickte zu Clip hinüber und lächelte. »Und Ihr träumt davon, Eure Hände in einen See aus Blut zu tauchen, aber nicht in irgendein altes Blut. Die Frage ist - könnt Ihr die Geschehnisse so beeinflussen, dass Ihr den roten Sturzbach zustande bringt?«
»Dein Fieber hat dir das Hirn weichgekocht«, sagte der Tiste-Andii-Krieger und lächelte ebenfalls. Dann blickte er Silchas Ruin an. »Tötet ihn, oder lasst ihn hier zurück.«
Seren Pedac seufzte. »Wann werden wir mit dem Abstieg beginnen, Clip?«, fragte sie. »Weiter unten gibt es Kräuter, mit denen sein Fieber besiegt werden kann.«
»Das wird noch einige Tage dauern«, antwortete er und ließ die Kette um seine rechte Hand wirbeln. »Und selbst wenn wir tiefer kommen … nun, ich bezweifle, dass Ihr das finden werdet, was Ihr sucht. Außerdem«, fügte er hinzu, »ist das, was ihn plagt, nicht nur natürlich.«
Silchas Ruin, der den Pfad betrachtete, den sie an diesem Tag weiter erklimmen würden, sagte: »Er spricht die Wahrheit. Diese stinkende Luft ist von alter Zauberei erfüllt.«
»Was für Zauberei?«, fragte Seren.
»Sie ist zersplittert. Vielleicht … K’Chain Che’Malle - sie haben ihre Magie nur selten auf eine Weise benutzt, die leicht verständlich gewesen wäre. Und niemals in einer Schlacht. Ich erinnere mich an etwas, das mit… Geisterbeschwörung zu tun hatte.«
»Und - ist es das, was diese Luft erfüllt?«
»Das kann ich nicht sagen, Freisprecherin.«
»Aber warum ist Udinaas der Einzige, der davon heimgesucht wird? Was ist mit uns anderen?«
Niemand wagte zu antworten - abgesehen von Udinaas, der ein weiteres abgehacktes Lachen hören ließ.
Ringe klickten aneinander. »Ich habe meinen Vorschlag gemacht«, sagte Clip.
Und wieder schien das Gespräch zu ersterben. Kessel ging zu Udinaas hinüber und stellte sich dicht neben ihn, als wollte sie ihm Schutz gewähren.
Das kleine Feuer brannte endlich, wenn auch nur schwach. Seren griff nach einem Zinntopf und machte sich auf, ein bisschen sauberen Schnee zu suchen, was eigentlich eine einfache Sache hätte sein müssen. Aber die verrotteten Flecken waren von allen möglichen Überresten besudelt. Von schmierigen Streifen aus vermodernder Vegetation, fleckigen Schichten aus
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