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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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deshalb hatte ich Gelegenheit, mit ihr … äh … zu sprechen. Weil wir uns am selben Ort wiedergefunden haben. Ihr Problem war, dass sie nicht genügend Wörter aneinanderreihen konnte, um einen richtigen Satz zustande zu bringen. Sie war nicht dumm. Nicht sehr. Sie konnte sich einfach nur nicht ausdrücken. Aber wie soll man bei solchen Leuten wissen, was in ihrem Kopf vorgeht? Sie können es einem nicht sagen, und deshalb bleibt die Vermutung eine Vermutung, und meistens liegt man so falsch, dass es einfach nur erbärmlich ist. Nun, wir haben es rausgefunden, mehr oder weniger. Glaube ich zumindest. Als Geist hat sie sogar noch weniger gesagt.
    Aber so ist es halt, Emroth. Es gibt die große Explosion, erst das Weiße, dann das Schwarze, und dann kommt man auf einmal wieder zu sich. Als verdammter Geist, der nirgendwo hingehen kann, wo sich’s hinzugehen lohnt, und alles, was man noch hat, sind Erkenntnisse und Trauer. Und eine Liste von Wünschen, die länger ist als …«
    »Hör auf, Igel von den Brückenverbrennern«, unterbrach ihn Emroth, und ein Hauch von aufflackernden Gefühlen schwang in der Stimme der Imass mit. »Ich bin keine Närrin. Ich verstehe, was für ein Spiel du spielst. Aber meine Erinnerungen gehen dich nichts an.«
    Igel zuckte die Schultern. »Und dich auch nicht mehr, vermute ich.
    Hast sie alle aufgegeben, um Krieg gegen die Jaghut führen zu können. Sie waren so böse, so gefährlich, dass ihr euch selbst zu euren ersten Opfern gemacht habt. So ‘ne Art rückwärts gerichteter Rache, würdest du das nicht auch sagen? Als wenn ihr hingegangen wärt und ihre Arbeit für sie gemacht hättet. Und der eigentliche Witz ist, dass sie überhaupt nicht so böse oder gefährlich waren. Oh, vielleicht ein paar von ihnen, aber die paar haben ziemlich schnell den Zorn ihrer Artgenossen zu spüren bekommen - oft schon lange, bevor ihr und eure Armeen überhaupt aufgetaucht seid. Sie hatten sich selbst ziemlich gut im Griff. Sie haben Gletscher auf euch geschleudert, und was habt ihr getan, um das abzuwehren? Naja, ihr habt eure Herzen noch kälter, noch lebloser als jeden Gletscher gemacht. Beim Vermummten, das ist mal eine nette Ironie.«
    »Ich bin ungebunden«, sagte Emroth krächzend. »Mir sind meine Erinnerungen geblieben. Und diese Erinnerungen waren es, die mich gebrochen haben.«
    »Gebrochen?«
    Ein weiteres Schulterzucken. »Igel von den Brückenverbrennern, im Gegensatz zu dir kann ich mich an Liebe erinnern.«
    Einige Zeit lang sagte keiner von ihnen etwas. Der Wind peitschte bitterkalt und trocken auf sie ein. Unter ihren Füßen knirschten verharschte Schneereste in Nestern aus Moosen und Flechten. Am Horizont vor ihnen ragte eine Art schiefergraue Bergkette auf, merkwürdig kantig wie unzählige umgestürzte Gebäude. Über dem Grat war der Himmel milchig weiß. Igel deutete nach Norden. »Also, Emroth, ist es das da?«
    Der halb zerschmetterte Kopf hob sich. »Omtose Phellack.«
    »Tatsächlich? Aber …«
    »Wir müssen es überqueren.«
    »Oh. Und was liegt dahinter?«
    Die T’lan Imass blieb stehen und starrte Igel mit ihren verwitterten, von Schatten gefüllten Augenhöhlen an. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie. »Aber ich glaube jetzt, dass es … vielleicht … zu Hause sein könnte.«
    Verdammt sollst du sein, Emroth. Du hast die Dinge gerade sehr viel schwieriger gemacht.
    Der Tempel stand auf einem niedrigen Hügel, der von unfruchtbarem Land umgeben war. Die gewaltigen, zyklopischen Mauern wirkten ziemlich mitgenommen und nach innen gedrückt, als hätten zehntausend steinerne Fäuste auf sie eingedroschen. Ungleichmäßige Risse durchzogen den dunkelgrauen Granit vom Fuß bis zu dem gewaltigen Sturzstein, der wie betrunken über einem ehemals eindrucksvollen, prächtigen Eingang hing. Auf Podesten beiderseits der breiten, mittlerweile abgesackten Stufen erhoben sich die Überreste von Statuen.
    Udinaas wusste nicht, wo er war. Bloß in einem weiteren Traum, oder in etwas, das als Traum begann. Und wie alle anderen dazu verdammt war, sich zu etwas viel Schlimmerem zu entwickeln.
    Und daher wartete er, zitternd und mit verkrüppelten Beinen, die gebrochen und leblos waren - eine neue Variante des Themas Unfähigkeit. Ein niederschmetterndes Symbol seiner vielen Mängel. Er erinnerte sich daran, wie er sich das letzte Mal ohne Glieder auf der Erde gewunden hatte, eine Schlange mit gebrochenem Rückgrat. Es schien, als würde seinem Unterbewusstsein jeglicher

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