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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Er setzte sich auf den Thron und sah sich um, richtete den Blick erneut auf Hannan Mosag. »Ceda«, sagte er, »in diesem unserem Zimmer wirst du dich uns immer auf dem Bauch rutschend nähern, genau wie du es jetzt auch tust.«
    Aus den Schatten am anderen Ende des Thronraums kam ein dumpfes Gegacker.
    Rhulad zuckte zusammen. »Und jetzt wirst du uns verlassen, Ceda«, sagte er. »Und nimm diese Hexe Janall und ihren Sohn mit.«
    »Imperator, bitte, du musst verstehen …«
    » Verschwinde!«
    Der Schrei erschütterte Nisall, und sie zögerte, kämpfte gegen den drängenden Wunsch zu fliehen an. Sie wollte weg von hier. Vom Königshof, von der Stadt, von allem.
    Dann zuckte Rhulads freie Hand vor, und ohne sich umzudrehen sagte er: »Nein, du nicht, Hure. Du bleibst.«
    Hure. »Diese Bezeichnung ist nicht angemessen«, sagte sie - und erstarrte vor Furcht, verblüfft über ihre eigene Kühnheit.
    Er richtete den Blick seiner fiebrigen Augen auf sie. Und dann - so widersinnig es auch schien - machte er eine wegwerfende Handbewegung, und als er wieder sprach, klang seine Stimme plötzlich müde. »Natürlich. Wir entschuldigen uns. Imperiale Konkubine …« Sein glitzerndes Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Dein König hätte dich ebenfalls mitnehmen sollen. Er war selbstsüchtig, oder vielleicht hat er dich auch so sehr geliebt, dass er es nicht über sich brachte, dich zum Sterben aufzufordern.«
    Sie sagte nichts darauf, denn tatsächlich wusste sie nicht, was sie hätte antworten können.
    »Ah, wir sehen den Zweifel in deinen Augen. Konkubine, du hast unser Mitgefühl. Wisse, dass wir dich nicht grausam benutzen werden.« Und dann schwieg er, während er zusah, wie Hannan Mosag sich über die Schwelle der breiten Eingangstür des Raumes zog. Ein halbes Dutzend weitere Tiste Edur waren aufgetaucht; ihre verstohlenen, zittrigen Bewegungen verrieten ihre Unsicherheit angesichts all dessen, was sie hier miterlebten. Ein gezischter Befehl von Hannan Mosag ließ zwei den Raum betreten, die die Säcke, in denen sich die verformten Körper von Janall und ihrem Sohn Quillas befanden, wieder hochkrempelten und schlossen. Als sie die beiden Säcke - die mit kaum mehr als Fleischklumpen gefüllt waren - aus dem Raum zogen, klang das dabei entstehende Geräusch in Nisalls Ohren schlimmer als alles andere, was sie an diesem grausamen Tag gehört hatte.
    »Gleichzeitig«, fuhr der Imperator ein paar Herzschläge später fort, »bleiben der Titel und die mit ihm verbundenen Vorrechte dir erhalten … solltest du dies wünschen.«
    Sie blinzelte, hatte das Gefühl, sie stünde auf Treibsand. »Ihr gebt mich frei, damit ich mich entscheiden kann, Imperator?«
    Ein Nicken. Die trüben, rotgeäderten Augen waren immer noch auf den Eingang gerichtet. »Udinaas«, flüsterte er. »Du Verräter. Du … du durftest nicht wählen. Du warst ein Sklave - mein Sklave - ich hätte der Dunkelheit niemals trauen dürfen … niemals …« Er zuckte erneut zusammen, und plötzlich glitzerten seine Augen. »Er kommt.«
    Sie hatte keine Ahnung, wen er meinte, aber die ungemilderten Gefühle, die in seinem Tonfall mitschwangen, machten ihr erneut Angst. Was konnte an diesem schrecklichen Tag denn noch passieren?
    Draußen ertönten Stimmen. Eine von ihnen klang anfangs bitter, dann zaghaft.
    Sie sah, wie ein Tiste-Edur-Krieger den Thronraum betrat. Rhulads Bruder. Einer seiner Brüder. Derjenige, der Rhulad auf den Fliesen liegengelassen hatte. Jung, auf jene für die Edur typische Weise gutaussehend - gleichermaßen fremd wie vollkommen. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie seinen Namen gehört hatte -
    »Trull«, sagte der Imperator krächzend. »Wo ist er? Wo ist Forcht?«
    »Er ist… gegangen.«
    »Er ist gegangen? Er hat uns verlassen?«
    »Uns. Ja, Rhulad - oder bestehst du darauf, dass ich dich Imperator nenne?«
    Rhulads münzenbesetztes Gesicht spiegelte die Abfolge von Gefühlen wider, die ihn nacheinander durchströmten. Schließlich verzerrte es sich, und er sagte: »Auch du hast mich verlassen, Bruder. Hast mich blutend … auf dem Fußboden liegen lassen. Glaubst du, dass du anders bist als Udinaas? Dass du nicht genauso ein Verräter wie mein letheriischer Sklave bist?«
    »Rhulad, ich wünschte, du wärst wieder mein alter Bruder, so wie früher …«
    »Derjenige, auf den du höhnisch heruntergegrinst hast?«
    »Wenn es den Anschein gehabt hat, als hätte ich das getan, entschuldige ich mich dafür.«
    »Ja. Du

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