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SdG 12 - Der Goldene Herrscher

SdG 12 - Der Goldene Herrscher

Titel: SdG 12 - Der Goldene Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gebrauchsfähig, doch in jeder anderen Hinsicht war dieser Imperator der Tausend Tode ein Kind. Aber am Schlimmsten war - wie Nisall inzwischen fand - das, was danach geschah: wenn er in einen halb schlafenden, halb … irgendwie anderen Zustand versank, wenn seine Gliedmaßen zuckten und er unaufhörlich Worte ausstieß, eine Litanei aus Bitten, vermischt mit verweifelten Schluchzern, die an der parfümierten Luft schabten. Und über kurz oder lang - nachdem sie selbst aus dem Bett geflohen war, sich eine Robe übergeworfen und fünf Schritte entfernt an eine Stelle unweit der gemalten Szene in dem falschen Fenster zurückgezogen hatte - konnte sie zusehen, wie er auf den Fußboden krabbelte und quer durch den Raum in eine Ecke kroch, als würde irgendeine Verletzung seines Rückgrats ihn verkrüppeln, wobei er das allgegenwärtige Schwert hinter sich herzuziehen pflegte. In jener Ecke verbrachte er dann zusammengerollt den Rest der Nacht, gefangen in einem ewigen Alptraum.
    Tausend Tode, die er Nacht für Nacht aufs Neue durchlebte. Tausend.
    Das war natürlich übertrieben. Es waren höchstens ein paar hundert.
    Imperator Rhulads Qualen waren nicht die Frucht eines fiebrigen Vorstellungsvermögens, und sie hatten ihren Ursprung auch nicht in einem Haufen Ängste. Was ihn heimsuchte, waren die Geschehnisse der Vergangenheit. Die wahren Geschehnisse. Sie war in der Lage, etwas von seinem Gemurmel zu verstehen, besonders, wenn es sich auf die Geschehnisse bezog, die seine Alpträume beherrschten, denn sie war dabei gewesen. Sie war dort gewesen, im Thronraum, hatte Rhulads Nicht-Tod miterlebt, hatte miterlebt, wie er weinend auf dem von all seinem Blut rutschigen Fußboden gelegen hatte, während auf dem Thron ein Leichnam saß, und der Mann, der Rhulad so zugerichtet hatte, halb aufgerichtet auf dem Podest zusammengesunken war - hinweggerafft von Gift.
    Hannan Mosag war, als er auf erbärmliche Weise auf den Thron zukriechen wollte, von dem Dämon aufgehalten worden, der aufgetaucht war, um den Leichnam von Brys Beddict zu holen - und durch den beinahe beiläufigen Schwertstoß, der Rhulad getötet hatte, als die Erscheinung sich schon wieder auf dem Rückweg befunden hatte.
    Der Schrei, der vom Erwachen des Imperators gekündet hatte, hatte ihr Herz in einen Eisklotz verwandelt - ein Schrei, so brutal, so rau, dass sie sein Brennen in ihrer eigenen Kehle gespürt hatte.
    Aber was den Imperator mit tausend bluttriefenden Klingen heimsuchte, war das, was kurz nach Rhulads Rückkehr geschehen war.
    Zu sterben, nur um zurückzukehren, bedeutete, niemals fliehen zu können. Niemals fliehen zu können … vor überhaupt nichts.
    Während seine Wunden sich schlossen, hatte er sich auf Hände und Knie aufgerichtet, wobei er immer noch das verfluchte Schwert umklammert hatte - die Waffe, die er niemals loslassen würde. Weinend und schwer atmend war er auf den Thron zugekrochen, war erneut in sich zusammengesackt, als er das Podest erreicht hatte.
    Nisall war aus ihrem Versteck getreten, in dem sie sich noch wenige Augenblicke zuvor verborgen gehalten hatte. Sie hatte sich wie betäubt gefühlt. Der Selbstmord ihres Königs - ihres Liebhabers - und der des Eunuchen Nifadas - die vielen entsetzlichen Geschehnisse, die sich in diesem schrecklichen Thronraum in so rascher Abfolge ereignet hatten, die Toten, die wie dicht an dicht aufgestellte Grabsteine auf einem überfluteten Feld umgestürzt waren. Triban Gnol, wie immer praktisch denkend, war vor dem neuen Imperator auf die Knie gefallen und hatte mit der Leichtigkeit eines Aals, der unter einen neuen Felsen glitt, gelobt, sich in seinen Dienst zu stellen. Auch der Erste Galan war Zeuge der Geschehnisse gewesen, aber als Rhulad, die vom Blut nassen Münzen glänzend, sich auf den Stufen umdrehte und mit gebleckten Zähnen Hannan Mosag anblickte, konnte sie Turudal Brizad nirgends entdecken.
    »Er gehört dir nicht«, sagte Rhulad krächzend.
    »Rhulad …«
    »Imperator! Und du, Hannan Mosag, bist mein Ceda. Und kein Hexenkönig mehr. Nein, mein Ceda.«
    »Deine Frau …«
    »Ist tot. Ja.« Rhulad wuchtete sich auf das Podest und stand dann langsam auf, starrte auf Ezagara Diskanar, den toten König der Letherii hinunter. Dann streckte er die freie Hand aus, packte den König am Brustteil seiner brokatbesetzten Tunika und zog den Leichnam vom Thron, ließ ihn zur Seite fallen, so dass der Kopf hart auf den gefliesten Boden schlug. Ein Schauder schien Rhulad zu durchlaufen.

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