SdG 12 - Der Goldene Herrscher
hingegen hätte zum Imperator zurückkehren sollen, nachdem er das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
Und um was zu tun? Durch Rhulads Hand einen grässlichen Tod zu sterben? Ja, wir waren beinahe Freunde, er und ich - so weit das zwischen einem Sklaven und seinem Herrn überhaupt möglich sein kann, und unter der Bedingung, dass es eine Freundschaft ist, bei der der Herrsich immer großzügiger und rechtschaffener als der Sklave fühlt -, aber ich habe nicht darum gebeten, dort, an der Seite dieses Wahnsinnigen zu stehen und mich zu bemühen, ihn über die schmale Brücke geistiger Gesundheit zu fuhren, während Rhulad am liebsten bei jedem Schritt kopfüber in den Abgrund gesprungen wäre. Nein, er hatte mit dem auskommen müssen, was er gehabt hatte, und dadurch, dass er dieses bisschen Mitgefühl gezeigt hatte, hatte er mehr für Rhulad getan, als alle Sengars zusammen - Brüder, Mutter und Vater. Mehr als jeder Tiste Edur. Ist es ein Wunder, dass keiner von euch Freude kennt, Forcht Sengar? Ihr seid alle verdrehte Zweige vom gleichen kranken Baum.
Natürlich war es sinnlos, diese Dinge zu erörtern. Seren Pedac war die Einzige, die all das verstanden hätte, die ihm vielleicht sogar in all dem zugestimmt hätte, was er zu sagen hatte, aber sie war nicht daran interessiert, wirklich zu dieser Gruppe zu gehören. Sie klammerte sich an ihre Rolle als Freisprecherin, als Wegsucherin, als diejenige, die die so eifersüchtig bewachten Karten in ihrem Kopf lesen konnte. Es gefiel ihr, dass sie sich nicht entscheiden musste; und noch viel besser gefiel es ihr, dass sie sich um niemanden sorgen musste.
Eine sonderbare Frau, diese Freisprecherin. Immerzu unnahbar. Ohne Freunde … aber sie trägt ein Schwert der Tiste Edur. Trull Sengars Schwert. Kessel sagt, er hat es ihr überreicht. Hat sie die Bedeutung dieser Geste verstanden? Sie muss es wohl. Danach war Trull Sengar zu Rhulad zurückgekehrt. Er war vielleicht der einzige Bruder, der sich wirklich gesorgt hatte - aber wo war er jetzt? Vermutlich ist er tot.
Frische, kühle Nachtluft kam die breite Rampe heruntergeströmt, ächzte in den Türöffnungen, die sich im Abstand von etwa zehn Schritten auf beiden Seiten des Gangs befanden. Sie näherten sich der Oberfläche, irgendwo im Satteldach-Pass - aber auf welcher Seite des Forts und der Garnison? Wenn sie sich auf der falschen Seite befanden, würden Silchas Ruins Schwerter laut und lange singen. Die Toten stapelten sich förmlich im Kielwasser des wandelnden weißhäutigen, rotäugigen Alptraums, oder etwa nicht? Wenn die Jäger die Gejagten wirklich einmal einholten - was nur ganz selten vorkam -, bezahlten sie dafür mit ihrem Leben. Trotzdem kamen immer wieder neue - das ergab einfach keinen Sinn.
Es ist beinahe genauso lächerlich wie dieser Mosaik-Fußboden mit seinen schimmernden Armeen. Bilder von Echsenkriegern, die sich im Krieg befanden, Langschwänze gegen Kurzschwänze, wobei die Langschwänze deutlich mehr Opfer zu beklagen hatten, soweit er das sagen konnte. Das bizarre Gemetzel unter ihren Füßen strömte in die angrenzenden Räume, von denen jeder, wie es schien, dem heldenhaften Tod eines Meisterkämpfers gewidmet war - Dreckige Kell, Naw’rhuk A’dat und Matronen, sagte Silchas Ruin, als er in magisches Licht gehüllt die ganzen Zimmer untersuchte, wobei sein Interesse bestenfalls planlos und willkürlich war. Jedenfalls konnte Udinaas an den anschaulichen Szenen genug ablesen, um ein wahres Schlachtfest gegenseitiger Vernichtung zu erkennen, in dem auf jede Szene mit einem Sieg der Kurzschwänze eine Szene folgte, in der eine Matrone eine magische Feuersbrunst auslöste. Die Sieger siegten niemals, weil die Verlierer sich weigerten, zu verlieren. Ein irrsinniger Krieg.
Seren Pedac, die vorneweg ging, befand sich zwanzig Schritt vor ihnen, und Udinaas sah, wie sie stehenblieb, sich plötzlich hinkauerte und eine Hand hob. Die Luft, die hereinströmte, war mit dem Geruch nach Lehm und Waldstaub gesättigt. Die Mündung des Tunnels war klein, vollkommen zugewuchert und halb von den schief hängenden Bruchstücken mächtiger Basaltplatten versperrt, die einst zu einem bogenförmigen Tor gehört hatten. Dahinter lag Dunkelheit.
Seren Pedac winkte ihre Begleiter nach vorn. »Ich werde kundschaften gehen«, flüsterte sie, als sie alle zusammen kurz vor der Tunnelmündung hockten. »Ist sonst noch jemandem aufgefallen, dass auf diesem letzten Stück keine Fledermäuse waren? Dieses Stockwerk
Weitere Kostenlose Bücher