SdG 12 - Der Goldene Herrscher
Karmesingarde -, er konnte den Geist anderer Menschen erreichen und falsches Entsetzen in ihm aufsteigen lassen.« Sie zuckte die Schultern. »Er sagte, die Magie der Festen und Älteren Gewirre wäre fast überall sonst verdrängt worden.«
»Ich hatte mich schon über die scheinbare Schwäche von Kurald Galain in diesem Land gewundert. Freisprecherin, das, worum du mich bittest, kann ich nicht vollbringen. Trotzdem habe ich vor, alle, die sich im Fort befinden, zum Schweigen zu bringen. Und ich werde uns ein paar Pferde besorgen.«
»Silchas, in dem Fort sind Hunderte von Letherii, und zwar nicht nur Soldaten. Ein Fort braucht Bedienstete. Köche, Küchenjungen, Schmiede, Zimmerleute, Diener …«
»Und die Tiste Edur werden Sklaven haben«, fügte Forcht hinzu.
»Das alles interessiert mich nicht«, sagte der Tiste Andii, schob sich an Seren vorbei und verließ die Höhle.
Udinaas lachte leise. »Der Rote Ruin sucht das Land heim. Wir sollten uns diese Geschichte von rechtschaffener, aber auf schrecklich Weise auf Abwege geratener Vergeltung zu Herzen nehmen. Also, Forcht Sengar, deine heldenhafte Queste läuft irgendwie schief - was wirst du deinen Enkeln jetzt erzählen?«
Der Edur-Krieger sagte nichts.
Seren Pedac zögerte; sie konnte Silchas Ruin weggehen hören - ein paar Schritte auf dem dürren Laub - und dann war er fort. Sie hätte hinter ihm herrennen können. Hätte ein letztes Mal versuchen können, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Aber sie rührte sich nicht von der Stelle. Und nun war das einzige Geräusch, das den noch Wald erfüllte, das Rascheln und Scharren der schuppigen Mäuse, die anscheinend zu Tausenden unterwegs waren und alle in die gleiche Richtung wie der Tiste Andii strömten. Schweiß prickelte wie Eis auf ihrer Stirn. Schau uns an. Erstarrt wie Kaninchen.
Aber was kann ich schon tun? Nichts. Außerdem geht es mich nichts an, oder? Ich bin nichts weiter als eine bessere Führerin. Keiner der Anwesenden verfolgt ein Ziel, das für mich irgendeine Bedeutung hat. Sollen sie sich doch ihrem übergroßen Ehrgeiz hingeben. Ich wurde nur gebeten, sie aus der Stadt zu bringen. Das ist alles.
Dies ist Silchas Ruins Krieg. Und der von Forcht Sengar. Sie sah zu Udinaas hinüber und stellte fest, dass er sie mit glitzernden Augen musterte, als wüsste er nur allzu gut über ihre Gedanken Bescheid, über ihre schäbigen Überlegungen, die alle zu einem einzigen, erbärmlichen Ergebnis führten. Es geht mich nichts an. Hol dich der Abtrünnige, Schuldner.
Ventrala, der verstümmelte und missgestaltete K’risnan, hob einen dürren, an eine Wurzel erinnernden Unterarm und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Um ihn herum flackerten Kerzen, eine verzweifelte Einladung an Schwester Schatten, aber es schien, als würde der Ring aus Dunkelheit in dem kleinen Zimmer sich immer enger zusammenziehen, unerbittlich wie die Gezeiten.
Vor einem halben Glockenschlag war er mit klopfendem Herzen und nach Luft schnappend aufgewacht. Im Wald nördlich des Forts wimmelte es von Orthen, felsenbewohnenden, schuppigen Kreaturen, die es nur auf diesem Pass gab; seit er im Fort angekommen war, hatte er vielleicht ein halbes Dutzend dieser Tiere gesehen, die von den Mähnenkatzen - Haustieren der hier lebenden Letherii - angeschleppt worden waren. Die Katzen wussten genau, warum sie gar nicht erst den Versuch machten, die Orthen zu fressen - weil sie nämlich giftig waren -, aber das hinderte sie nicht daran, mit ihnen zu spielen, bis sie tot waren. Orthen mieden den Wald und weichen Untergrund. Sie lebten zwischen Felsen. Doch jetzt schwärmten sie über den Waldboden, und der K’risnan konnte in ihrer Anwesenheit etwas spüren - eine Unruhe, die nach Blutdurst schmeckte.
Sollte er sich hier in diesem Raum zusammenkauern, erschreckt von Kreaturen, die er unter seiner Fußsohle zermalmen konnte? Er musste seine unziemliche Panik meistern - musste lauschen! Von den Wachposten des Forts war nichts zu hören. Es gab keine Alarmrufe.
Aber die verdammten Orthen bedeckten den Waldboden bis hinauf zum Pass, sammelten sich in unvorstellbar großer Zahl und strömten in einer schrecklichen, schuppigen Flut herab. Ventralas Panik wuchs, drohte, sich in Schreien Bahn zu brechen. Er versuchte verzweifelt, ruhig nachzudenken.
Vielleicht war es ja irgendeine Art von Wanderung, die nur einmal alle zehn Jahre vorkam. Oder sogar nur einmal alle hundert Jahre. Ein formloser Hunger. Das und nichts weiter. Die
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