SdG 12 - Der Goldene Herrscher
zurück, ihr verdammten Idioten!«
Es schien, als hätten sie nur auf diesen Befehl gewartet, denn die ganze Einheit verwandelte sich schlagartig in einen wilden Haufen, der in Richtung des unteren Tores rannte.
Einer der Tiste Edur kam zur Atri-Preda. »Was macht Ihr denn?«, wollte er wissen. »Der K’risnan kommt - er wird diese Mücke zerquetschen …«
»Wenn er das tut«, schnaubte sie und wich langsam zurück, »werden wir uns liebend gern neu formieren!«
Der Edur zog seinen Säbel. »Ruft sie zum Kampf, Atri-Preda - oder ich werde Euch auf der Stelle niederschlagen.«
Sie zögerte.
Rechts von ihnen waren die anderen Tiste Edur vorgestürmt und griffen die Weiße Krähe an.
Die Schwerter heulten, ein Geräusch, so voller Freude, dass Haynenar das Blut gefror. Sie schüttelte den Kopf und schaute zu - genau wie der Krieger, der vor ihr stand -, wie die Weiße Krähe sich den Weg durch die Merude bahnte, umgeben von einem Mahlstrom aus abgetrennten Gliedmaßen und Köpfen, herumfliegenden Eingeweiden und Körpern.
«… Eure Letherii! Greift ihn an, verdammt!«
Sie starrte den Edur-Krieger an. »Wo ist Euer K’risnan?«, wollte sie wissen. »Wo ist er?«
Ventrala kroch in die Zimmerecke, die am weitesten von der magischen Feuersbrunst dort draußen entfernt war. Speichelfäden troffen von seinem Mund, aus dem unaufhörlich sinnlose Worte strömten. Seine Macht war geflohen. Hatte ihn im Stich gelassen, hier, in diesem verfluchten Zimmer. Das war nicht in Ordnung. Er hatte alles getan, was von ihm verlangt worden war. Er hatte sein Fleisch und sein Blut übergeben, sein Herz und seine Knochen - er hatte alles Hannan Mosag übergeben.
Ihm war ein Versprechen gemacht worden, ein Versprechen, dass er erlöst, dass er für seine Loyalität reich belohnt werden würde - wenn der verhasste jüngste Sohn von Tomad Sengar erst einmal vom Thron gefegt worden war. Sie sollten Forcht Sengar, den Verräter, verfolgen, und wenn sich das Netz schließlich um ihn schließen würde, würde es nicht Rhulad sein, der voller Befriedigung lächelte. Nein, Rhulad, dieser Narr, wusste von alledem hier nichts. Dies war das Spiel von Hannan Mosag, dem Hexenkönig, dem man den Thron geraubt hatte. Und Hannan war es auch, der Rache nehmen würde - wenn Forcht Sengar erst einmal in seinen Händen war. Forcht - und Udinaas, der Sklave.
Der Imperator musste jeder Unterstützung beraubt werden, sämtliche vertrauten Gesichter mussten zu Masken des Verrats verzerrt werden, ja, er musste aller Dinge beraubt werden, bis er schließlich ganz allein war. Allein in seinem Wahnsinn. Erst dann …
Ventrala, der sich wie ein Embryo zusammengerollt hatte, erstarrte, als ein leises Lachen an sein Ohr drang … das aus diesem Zimmer kam!
»Armer K’risnan«, hörte er dann eine leise Stimme. »Du konntest dir einfach nicht vorstellen, dass dieser bleiche König der Orthen, dieser Krieger, der über Schlachtfelder schreitet, sich gegen dich wenden könnte. Sein Pfad ist ein Fluss aus Blut, du armseliger Narr, und … oh! Sieh nur! Seine Geduld, seine Nachsichtigkeit - sie sind dahin!«
Ein Gespenst war hier, bei ihm, und flüsterte ihm wahnsinnige Dinge zu. »Fort mit dir«, zischte er, »oder du wirst das gleiche Schicksal erleiden wie ich! Ich habe dich nicht beschworen …«
»Nein, das hast du nicht. Die Ketten, die mich an die Tiste Edur gebunden haben, sind zertrennt worden. Von dem da draußen. Ja, ich gehöre ihm, nicht dir, verstehst du? Ich gehöre der Weißen Krähe - ha, da haben die Letherii mich überrascht -, aber es waren die Mäuse, K’risnan … das scheint jetzt schon ein Leben lang her zu sein. In dem Wald nördlich von Hannan Mosags Dorf. Und eine Erscheinung - aber leider begreift es niemand, achtet niemand darauf. Aber das ist ja wohl nicht mein Fehler, oder?«
»Geh weg …«
»Ich kann nicht. Oder genauer, ich will nicht. Kannst du es hören? Da draußen? Jetzt ist alles still. Unglücklicherweise sind die meisten Letherii entkommen. Sind mitsamt ihrem Hauptmann wie betrunkene Ziegen die Stufen hinuntergestürzt - ja, dieser Hauptmann war kein Narr. Was deine Merude angeht, nun, die sind alle tot. Aber … horch! Schritte auf dem Gang - er kommt!«
Und auf einmal wich das Entsetzen. Es war ja auch sinnlos, nicht wahr? Und immerhin würde er endlich aus diesem schmerzgeplagten, verzerrten Gefängnis erlöst werden, zu dem sein Körper geworden war. Als erinnerte er sich der Würde, die er einmal besessen
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