SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)
so dringend auf Abstand zu dem jungenhaften SEAL gehen, dass sie den Gullydeckel, der vor ihr schräg aus dem Boden ragte, gar nicht bemerkte. In klassischer Ophelia-Manier stolperte sie darüber und landete mit den Knien auf dem harten Beton.
Am Boden zerstört, setzte sie sich auf den Hintern, beugte den Kopf über die abgeschürften Knie und gab sich alle Mühe, nicht zu weinen.
Ein Lufthauch. »Alles klar?«, fragte Vinny nüchtern.
»Fick dich«, presste sie hervor, ohne aufzuschauen, denn er sollte nicht merken, dass ihr das Selbstmitleid ins Gesicht geschrieben stand.
»Ja, dazu kommen wir später«, kam die dreiste Erwiderung. »Also, haben Sie sich wehgetan? Lassen Sie mal sehen.« Er lüpfte den Saum des Sweaters und musterte ihre Knie. »Ordentlich aufgeschürft.«
Ach echt, Sherlock ?
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.« Er schlang seine Arme um sie und zog sie hoch. »Gehen wir rein«, sagte er dann, indem er auf den Eingang des Einkaufszentrums deutete. »Vielleicht hat ja noch was auf.«
Gemeinsam humpelten sie hinein und stellten fest, dass nur ein spärlich beleuchtetes Irish Pub noch offen hatte.
Lia riss sich von Vinny los und hinkte in den Schuppen, der offensichtlich ein Treff für Einheimische war. Als sie eine Nische ansteuerten, sah ihnen eine Handvoll Stammgäste nach.
»Bin gleich wieder da«, sagte Vinny.
Er war zehn Sekunden fort, genug Zeit für sie, um sich davon zu überzeugen, dass ihre Strumpfhose zerrissen und ein Knie übler zugerichtet war als das andere. Als Vinny zurückkam, schob er sich neben sie und griff an ihre Beine.
»Fassen Sie mich nicht an.« Doch dann entdeckte sie die feuchten Papiertücher in seiner Hand und ließ seine Fürsorge widerwillig über sich ergehen.
»Drehen Sie sich mal zu mir«, sagte er und legte schwungvoll ihre Beine über seine Oberschenkel.
Sie konnte nicht viel dagegen tun. »Wie fühlt sich das an?«, fragte er, während er seine behelfsmäßigen Kompressen auf ihre Knie drückte.
»Besser«, gab sie zu. Die Berührung machte sie nervös. Er hatte kräftige, gebräunte Finger und Oberschenkel fest wie Granit.
Eine Bedienung kam an ihren Tisch. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Könnten Sie vielleicht einen Eisbeutel besorgen?«, fragte Vinny.
»Ich schau mal«, antwortete die Frau und ging wieder.
Vinny strich über die nackte Haut an Lias rechtem Knie. »Sie haben sehr schöne Beine«, sagte er sanft.
»Hören Sie«, begann sie und wappnete sich gegen seine Schmeichelei, von seinen Streicheleinheiten ganz zu schweigen. »Ich habe keine Ahnung, wie ich es in Ihren Dickschädel reinkriegen soll, aber ich habe kein Interesse daran, Sie näher kennenzulernen. Ich gehe nicht mal mit Kerlen in meinem Alter aus, mit Typen, die jünger sind als ich, schon gar nicht.«
Er blickte sie mit seinen schokobraunen Augen an, als wollte er sie aufspießen, und ihre Worte schienen von ihm abzuperlen wie Wasser vom Gefieder einer Ente. »Ich hab immer noch was gut bei Ihnen«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Wer hat mein Essen bezahlt? Ich selbst.«
»Weil ich Ihretwegen rausgeschmissen wurde, Sie Schwachkopf.«
»Ach, kommen Sie«, rügte er sie sanft. »Sie verdienen einen besseren Job, und das wissen sie auch.«
Dieses Kompliment brachte sie durcheinander. Sie klappte verblüfft den Mund zu und überlegte, was sie nun tun konnte. »Schön. Ich lade Sie auf ein Bier ein. Wie wär’s? Oder sind Sie so jung, dass Sie noch gar keinen Alkohol trinken dürfen?«
»Ich bin jedenfalls alt genug, um für mein Land sterben zu dürfen«, stellte er fest.
Na dann .
Die Bedienung kam mit einem Glas voller Eiswürfel zurück und stellte es ihm hin. »Einen Beutel habe ich nicht gefunden«, erklärte sie.
Er zog das Glas näher heran. »Die Dame lädt mich zu einem Heineken ein«, sagte er und fischte einen Eiswürfel heraus.
»Und was trinken Sie?«, wandte sich die Bedienung an Lia.
»Rum mit Cola light. Einen Captain Morgan, bitte«, drückte sie sich genauer aus.
Als die Bedienung ging, schnappte Lia nach Luft, da Vinny ihr den Eiswürfel aufs Knie legte. Er fuhr damit rund um die Abschürfung, achtete aber darauf, die offene Stelle nicht direkt zu berühren. Ein wohliger Schauer lief ihr Bein hinauf. Das Eis schmolz schnell und kaltes Wasser tränkte die zerfetzten Ränder ihrer Strumpfhose.
»Ich lasse mich zum Sani ausbilden«, verriet er mit einem kurzen Blick zu ihr.
Seine Wimpern waren geradezu lächerlich dicht und geschwungen.
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