Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
vorherigen Nachmittag hatte ich den Wagen noch überprüft, und da war er unbeschädigt. Eigentlich war es kein großer Schaden, aber bei einem so wertvollen Fahrzeug gehen selbst die kleinsten Reparaturen in die Tausende. Und man kriegt für solche Fahrzeuge keine Ersatzteile mehr. Es war eine Schande. Ich nehme an, Battle hatte irgendwo einen Blechschaden gebaut und war deshalb mieser Laune. Wenn nicht alles seine Richtigkeit hatte, war der Mann ein Kotzbrocken. Ab und zu kam er in die Garage und hat mich angeschissen, weil er auf dem Boden Öl sah oder ein Nummernschild ein bisschen schief hing. Wahrscheinlich hat es ihm gestunken, dass der Rolls den Schaden abgekriegt hatte. Wenn er ihn nicht reparieren konnte, wollte er ihn nicht mehr haben. So war der Mann.«
»Haben Sie jemandem von der Beschädigung des Rolls-Royce erzählt?«
»Nein, es war ja sein Auto. Er konnte damit anstellen, was er wollte.«
»Erinnern Sie sich an den genauen Zeitpunkt der Beschädigung?«
»Wie gesagt, es muss am Abend vor meiner Entlassung passiert sein. Am Vortag hatte ich nachmittags ja noch keine Schäden bemerkt.«
»Wissen Sie noch das Datum?«
Einen Moment lang schwieg Edwards. »Es ist über drei Jahre her, so viel kann ich noch sagen«, meinte er schließlich. »Im Herbst. Bis ich die Stelle in Ohio bekam, musste ich eine Zeit lang für eine Firma in North Carolina arbeiten. Vielleicht war’s im September… nein, eher Oktober oder November.« Seine Stimme bezeugte Unsicherheit. »Glaub ich wenigstens.«
»Genauer können Sie es nicht eingrenzen?«
»Hören Sie, ich kann mich kaum daran erinnern, wo ich letzte Woche war, gar nicht davon zu reden, was vor drei Jahren gewesen ist. Seitdem bin ich ganz schön herumgekommen.«
»Könnten Sie mal auf den Gehaltsabrechnungen aus Ihrer Zeit bei den Battles nachschauen? Oder von den Jobs in North Carolina und Ohio? Dann kommen wir vielleicht weiter.«
»Gnädigste, ich wohne in einer Schlafbude in West Hollywood. Mir fehlt der Platz, um solchen Krempel aufzubewahren. Ich kann mit Mühe und Not meine Klamotten unterbringen.«
»Aber würden Sie anrufen, falls es Ihnen doch noch einfällt?«
»Klar, wenn’s wichtig ist.«
»Es ist sehr wichtig.«
Michelle legte auf und setzte sich an ihren Schreibtisch. Vor über drei Jahren im Herbst. Aber war es wirklich im Herbst geschehen? Dann musste es vor etwa dreieinhalb Jahren gewesen sein, weil derzeit Frühling war. Vielleicht erinnerte sich Sally Wainwright an das genaue Datum… Michelle sah auf die Uhr. Inzwischen war es zu spät, um Sally anzurufen. Sie musste das Telefonat auf den Morgen verschieben. Doch sie beschloss, sofort mit King zu reden und ihn über die neuen Erkenntnisse zu informieren.
Sie rief ihn auf dem Handy an, doch er meldete sich nicht. Sie sprach ihm eine Mitteilung auf die Mailbox. Ein anderes Telefon hatte er auf dem Hausboot nicht.
Schlief er schon?
Während Michelle auf das Telefon starrte, überkam sie ein sonderbares Gefühl. Sean hatte einen leichten Schlaf. Warum also hatte er sich nicht gemeldet? Dass sie die Anruferin war, hätte er anhand der Anzeige sehen müssen. War er gar nicht imstande, das Handy zu bedienen?
Michelle schnappte sich ihren Schlüsselbund und rannte zum Auto.
KAPITEL 68
King wälzte sich unruhig im Bett und stöhnte leise, während das Hausboot kaum merklich schaukelte. Glut tobte in seinem Hirn. Dennoch erwachte er nicht. Aber ihn quälte kein Albtraum. Sein Körper wurde nach und nach der Fähigkeit beraubt, Sauerstoff aufzunehmen. Langsam und lautlos nahte der Tod.
Michelles Scheinwerfer durchstachen die Dunkelheit, als sie den Wagen zur Anlegestelle lenkte, hielt und ausstieg. Dann eilte sie die Treppe zum Hausboot hinunter.
»Sean?«, rief sie und klopfte an die Tür des Boots. »Sean?« Sie blickte sich um. Sein Auto stand am Ufer. Er musste daheim sein. »Sean?«
Michelle rüttelte am Türgriff. Die Tür war abgesperrt. Auf dem Laufgang umrundete sie das Hausboot und spähte durch ein Fenster ins Innere. Sehen konnte sie allerdings nichts. Sie pochte an das Fenster, von dem sie wusste, dahinter lag sein Schlafzimmer.
»Sean?« Sie glaubte, Geräusche zu hören, und lauschte angestrengter.
Es war ein Stöhnen.
Michelle rannte zurück zur Tür und stemmte die Schulter dagegen, doch das Schloss gab nicht nach. Sie trat zurück und versetzte der Tür einen wuchtigen Tritt, sodass das Schloss aus dem Türrahmen gesprengt wurde. Mit gezückter Waffe stürmte
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