Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
aus Richtung der Garage. Ganz übel sah sie aus. Es hat mich gewundert, dass sie überhaupt fahren konnte.«
»Sie sind nicht von Trunkenheit ausgegangen?«, fragte Michelle.
»Nach vier Jahren am College kenne ich den Unterschied zwischen Trunkenheit und Drogensymptomen.«
»Ich bin überaus erfreut, dass unser Geld dir zu so unersetzlicher Bildung verhilft«, sagte Remmy zynisch.
»Hast du sie zur Rede gestellt, Savannah?«, fragte King.
»Nein. Ich sagte mir, die Sache geht mich nichts an.«
»Und hast du auch niemanden eingeweiht? Eddie vielleicht?«
»Auch das habe ich nicht als meine Aufgabe betrachtet. Dorothea und ich stehen uns nicht sehr nahe, falls du es noch nicht bemerkt hast.«
Nach dem Essen entschuldigte sich Remmy mit dem Hinweis, sie müsse ein paar Briefe schreiben, und überließ es Savannah, die Gäste zu verabschieden. Bevor sie gingen, bat King die anderen, sich noch einen Moment zu gedulden, und suchte das Bad auf. Während Harry und Michelle warteten, zog er Savannah in eine Ecke und wechselte ein paar vertrauliche Worte mit ihr. Dann gesellte er sich wieder zu Michelle und Harry. Gemeinsam verabschiedeten sie sich und gingen.
»Tut mir Leid, dass ich dich warten ließ, Michelle«, sagte King, »aber ich mache mir Sorgen um Savannah und wollte privat ein paar Worte mit ihr wechseln.«
»Ist dir aufgefallen, dass sie sich wie ihre Mutter kleidet?«, fragte Michelle.
»Für mich ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt«, meinte Harry. »Remmy ist eine sehr dominante Person. Ich nehme an, nicht mal ein so unabhängiger Mensch wie Savannah kann auf Dauer gegen ihre Willenskraft gefeit bleiben.«
»Und Remmy schreibt zahlreiche Briefe, führt ein Tagebuch und erhält ihrerseits viel Post von Freunden«, meinte King.
Harry musterte ihn fragend. »Inwiefern könnte das wichtig sein?«
»Auf dem Weg zum Bad bin ich an ihrem Arbeitszimmer vorbeigekommen. Remmy saß dort und schrieb Briefe, genau wie sie gesagt hat.«
»Na und?«, fragte Michelle.
»Mir geht der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass wir noch immer nicht wissen, was aus ihrem und Bobbys Geheimfächern entwendet wurde. Wenn es nun Briefe oder ein Tagebuch oder etwas Vergleichbares waren?«
»Gut möglich«, meinte Harry. »Frauen wie Remmy legen häufig Wert auf einen sicheren Aufbewahrungsort für ihre Privatkorrespondenz.«
»Briefe, die irgendwie belastend sein könnten«, sagte King. »Nicht unbedingt in juristischer Hinsicht, aber in persönlicher Beziehung. Jedenfalls dürfen wir diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen.«
Sie erreichten ihre geparkten Fahrzeuge. Michelle war mit dem eigenen Wagen gekommen. Sie verabschiedete sich von Harry und King und fuhr los. Harry schwang sich in sein Cabrio und winkte an der Ausfahrt noch einmal zum Gruß.
King setzte sich ins Auto, als er auf dem Fahrersitz einen Zettel bemerkte.
Die Mitteilung war kurz und unumwunden.
Ich möchte mit dir reden. Heute Abend um zehn bin ich bei dir. Sally.
KAPITEL 66
King empfing Sally an der Einmündung der Zufahrt, führte sie an der Baustelle seines künftigen neuen Hauses vorüber und die kurze Treppe zum Hausboot hinunter.
Die junge Frau war nervös. »Du tust das Richtige, Sally«, versicherte King ihr beruhigend. »Sobald du dein Herz erleichtert hast, wirst du dich besser fühlen.«
Während das Wasser des Sees träge gegen den Rumpf des Hausboots schwappte, nahmen King und Sally an dem kleinen Küchentisch Platz. Er brachte ihr einen Becher heißen Tee und blickte sie erwartungsvoll an.
»Du möchtest mir etwas über Junior erzählen?«, sagte er schließlich.
Langsam atmete Sally aus. »Ich war mit ihm zusammen, als der Einbruch geschah.«
»Du hast ihm beim Einbruch geholfen?«, fragte King erstaunt.
»Nein, ich war nicht im Haus der Battles bei ihm, sondern in seinem eigenen Haus – dem neuen Wohnhaus, an dem er gebaut hat.«
»Er hat den Einbruch also nicht verübt?«
»Er hätte ihn gar nicht verüben können. Wir waren von abends zwanzig Uhr bis vier Uhr morgens zusammen. Und bis zu den Battles ist es eine gute Stunde Fahrt.«
»Was hast du denn mit Junior in dem Rohbau gemacht?«
Sally trank einen Schluck Tee und lehnte sich zurück. Ihr Gesicht war gerötet, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »O Gott, ich kann gar nicht glauben, dass ich dir so was erzähle…«
»Sally«, drängte King, »warum warst du mit ihm zusammen?«
»Als er bei den Battles gearbeitet hat, haben wir uns näher kennen gelernt.
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