Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
Blutdruck verrückt spielte und seinen Körper zusätzlich unter Stress setzte.
Der junge Mann wollte gerade den Zündschlüssel drehen, als die Fahrertür aufgerissen wurde und die schwarze Sturmhaube wieder auftauchte. Hilflos beobachtete der Teenager, wie sich der Lauf der Schrotflinte auf ihn zuschob, einer tödlichen Schlange gleich. Der Junge flehte, schrie und jammerte, während ihm das Blut aus der gebrochenen Nase lief. Er wich vor dem Mann mit der Waffe zurück, bis er gegen die Leiche des Mädchens stieß.
»Bitte nicht. Bitte, bitte nicht!«
Die Schrotkugeln schlugen mit der Wucht eines Vorschlaghammers in seinen Kopf, und er wurde neben das tote Mädchen geschleudert. Die Vorderseite ihres Körpers war völlig unversehrt. Ein Betrachter hätte keinen Hinweis entdeckt, wodurch die junge Frau zu Tode gekommen war. Bei ihrem Freund dagegen war es offensichtlich: Er hatte kein Gesicht mehr.
Der Mörder lehnte die Schrotflinte gegen den Wagen, befestigte eine Armbanduhr am Handgelenk des jungen Mannes und klemmte den Arm des Toten zwischen Armaturenbrett und Tür fest. Als Nächstes fummelte er an der Uhr des toten Mädchens herum. Dann zog er ihr den billigen Amethystring vom Finger und steckte ihn sich in die Tasche. Dort verschwand auch der Christophorus-Anhänger, den er vom Hals des Jungen nahm.
»Tut mir Leid«, sagte er dann zu der Leiche des Jungen. »Dich persönlich trifft keine Schuld, aber du warst Teil der ursprünglichen Sünde. Dein Tod war nicht umsonst. Du hast einen Fehler wieder gutgemacht, der vor langer Zeit begangen wurde. Das ist ein Trost für dich, nicht wahr?«
Er machte sich nicht die Mühe, auch ein paar Worte an das Mädchen zu richten. Stattdessen nahm er einen Gegenstand aus der Tasche und legte ihn in den Fußraum des Wagens. Dann schlug er die Tür zu und stapfte davon. Als der Regen durch die zerborstene Windschutzscheibe drang, schien es, als würden sich die beiden nackten, toten Teenager aneinander klammern.
Auf dem Boden des Wagens lag der Gegenstand, den der Mörder zurückgelassen hatte.
Es war ein Hundehalsband.
KAPITEL 6
Todd Williams hielt vor dem Büro von King & Maxwell, das sich in einem zweistöckigen Klinkerhaus im Herzen der kleinen, aber feinen Innenstadt von Wrightsburg befand. In diesem Haus hatte auch Kings Anwaltskanzlei ihren Sitz gehabt, bevor er die Juristerei an den Nagel gehängt hatte. Der Polizeichef setzte sich, legte seine Mütze in den Schoß und informierte King und Michelle mit verquollenen Augen und abgespannten Gesichtszügen über die grausigen Einzelheiten des Doppelmordes.
»Ich bin aus der Polizeitruppe von Norfolk ausgeschieden, weil ich nicht mehr mit dieser Scheiße zu tun haben wollte«, fügte Williams hinzu. »Meine Exfrau hat mich überredet, hierher zu ziehen, wo es ruhig und friedlich ist. Eine ziemliche Fehleinschätzung, was? Kein Wunder, dass unsere Ehe kaputtgegangen ist.«
King reichte ihm einen Becher Kaffee und nahm ihm gegenüber Platz, während Michelle auf der Kante einer Ledercouch sitzen blieb. »Warten Sie mal ab, bis die Zeitungen Wind von der Sache bekommen«, fuhr Williams fort. »Und die arme Sylvia. Kaum hat sie die Autopsie der Toten aus dem Wald abgeschlossen, bekommt sie zwei neue Kunden auf den Tisch.«
»Wer waren die beiden?«, fragte King.
»Sie gingen zur Wrightsburg High School. Steve Canney und Janice Pembroke. Dem Mädchen wurde in den Rücken geschossen, der Junge hat eine Ladung ins Gesicht gekriegt. Mit einer Schrotflinte. Kaum hatte ich die Wagentür aufgemacht, hab ich mein Frühstück ausgespuckt. Verdammt, ich werde noch Monate von diesem Anblick träumen.«
»Keine Zeugen?«
»Zumindest sind uns keine bekannt. Es war eine Regennacht. Die einzigen Reifenspuren stammten von dem Wagen der Teenager.«
Michelle wurde hellhörig. »Ja, stimmt, es hat geregnet. Wenn es also keine weiteren Reifenspuren gibt, muss der Mörder zu Fuß gekommen sein. Haben Sie Spuren von ihm gefunden?«
»Das meiste wurde vom Regen weggespült. Im Fußraum des Wagens stand das blutige Wasser drei Zentimeter hoch. Ich begreife das nicht. Steve gehörte zu den beliebtesten Jungen der Schule. Mädchenschwarm, viele Kumpels, Star der Footballmannschaft…«
»Und das Mädchen?«, fragte Michelle.
Williams zögerte. »Janice Pembroke hat sich einen ziemlichen Ruf bei den Jungs erworben.«
»War sie leicht zu haben?«, fragte King.
»Ja.«
»Wurde irgendetwas mitgenommen? Könnte es Raubmord gewesen
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