Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
verwundert, wie Lulus Miene sich entspannte. Noch erstaunlicher war, dass Lulu sich nach ein paar Minuten an Remmy festhielt, um sich zu stützen. Schließlich beendeten die beiden Frauen ihr Gespräch und kamen auf King zu.
»Die Oxleys werden an der Trauergesellschaft in unserem Haus teilnehmen«, sagte Remmy. »Aber vorher werde ich Junior noch die letzte Ehre erweisen.«
Als sie sich gemeinsam entfernten, sah King, dass Mason zu Priscilla und den Kindern gegangen war und sie zur Limousine der Battles führte.
»In meinen mehr als siebzig Lebensjahren habe ich noch nie etwas so Seltsames und Unerklärliches wie das hier erlebt«, sagte Harry verdutzt.
Als die beiden Frauen hinter der Anhöhe verschwanden, sagte King zu seinen zwei Begleitern: »Ihr bleibt hier.« Dann folgte er den beiden Witwen im Dauerlauf.
Über Juniors Grab war kein Zelt gespannt worden, und es war in jeder Hinsicht wesentlich bescheidener als die letzte Ruhestätte von Bobby Battle. Es war wie das Hilton im Vergleich zu einem Billigmotel, ungeachtet der Tatsache, dass beide Männer gleichermaßen tot waren.
Die einzigen Anwesenden waren die zwei Männer, deren Aufgabe darin bestand, den Holzsarg im Loch zu versenken und ihn mit zwei Metern Erde zu bedecken. King beobachtete das Geschehen aus der Deckung einer großen Statue, die eine Mutter mit Kind darstellte. Er sah, wie Remmy mit den Totengräbern sprach, die respektvoll nickten und sich zurückzogen. Dann knieten beide Frauen auf dem grünen Kunstrasen vor dem Sarg, hielten sich an den Händen und beteten gemeinsam. Sie blieben mehrere Minuten lang am Grab. Als sie sich erhoben, trat Remmy an den Sarg und legte eine rote Rose darauf ab. Lulu nickte den Männern zu, die wieder vortraten, während die beiden Frauen Arm in Arm davongingen.
King blieb in Deckung, als sie an der Grabstelle mit der Statue vorbeikamen, und beobachtete, wie sie hinter der Anhöhe verschwanden. Dann wandte er sich wieder Juniors Grab zu. Die Friedhofsarbeiter waren zu ihrem Pick-up gegangen, vermutlich um ihre Schaufeln zu holen. King überlegte, ob er hinübergehen sollte, um Junior die letzte Ehre zu erweisen. Er hatte den Mann nicht besonders gut gekannt, doch seine Frau und seine Kinder hatten ihn offenbar sehr geliebt. Jeder Mann sollte ein solches Erbe hinterlassen. Auf Bobby Battles Beerdigung hatte King nicht viele Tränen gesehen, obwohl die Veranstaltung wesentlich kostspieliger gewesen war.
Er wollte sich gerade entfernen, als er plötzlich innehielt und sich tiefer hinter die Statue duckte. Jemand war aus einer Baumgruppe in der Nähe hervorgekommen. Die Person näherte sich mit schnellen Schritten dem Grab und schaute sich die ganze Zeit nervös um. Das verstohlene Auftreten der Gestalt deutete auf Schuldgefühle hin. King konnte nicht erkennen, wer es war, nicht einmal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, da die Person eine Hose, eine lange Jacke und einen tief ins Gesicht gezogenen Cowboyhut trug.
Als die Person vor dem Grab kniete, wagte King sich näher heran, um mehr erkennen zu können. Dann nahm die Person den Hut ab, um den Kopf im Gebet zu senken. Es schien sich um eine Frau zu handeln, wenn man nach dem langen, hochgebundenen Haar ging. Doch aus dieser Perspektive konnte King das Gesicht nicht erkennen. Sollte er hinübergehen und die Person ansprechen? Das wollte er nicht riskieren. Er dachte kurz nach; dann zog er sich wieder hinter die Statue zurück. Er hob einen kleinen Stein auf, zielte und warf ihn auf einen großen Grabstein, der mehrere Meter rechts von ihm stand. Das Ergebnis war so, wie er gehofft hatte.
Die Frau blickte sich um, als sie das Geräusch hörte, mit dem der Stein die Grabstelle traf, sodass King ihr Gesicht sah. Sie setzte den Hut wieder auf und lief zur Baumgruppe zurück.
Für King gab es keinen Grund, ihr zu folgen. Er wusste, wer sie war.
Aber warum in aller Welt betete Sally Wainwright, die Pferdepflegerin der Battles, an Junior Deavers Grab?
KAPITEL 50
Trotz seiner Größe war das Casa Battle überfüllt. Im Erdgeschoss hatte man lange Tische aufgestellt und mit Speisen und Getränken beladen. Als King und Michelle ihre Teller und Gläser gefüllt hatten, führte Harry sie ins Arbeitszimmer der zweiten Etage, um noch einmal alles durchzusprechen.
»Ich glaube, hier sind wir ungestört«, erklärte er. »Wir sind weit genug vom Essen und vor allem vom Alkohol entfernt. Der Tod macht die Menschen besonders durstig, habe ich
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