Sean King 03 - Im Takt des Todes
äußerst fähiger Mann. Dass jemand ihn ermorden konnte … in seinem eigenen Haus, trotz der vielen Sicherheitsleute …«
Alicia verstummte, schauderte und senkte den Kopf. Sie sah so elend aus, dass Sean aufstand und ihr einen Arm um die Schultern legte. »Es wird wieder alles in Ordnung kommen, Alicia.«
»Seien Sie nicht so gönnerhaft! Ich habe Angst um Viggie. Auch sie könnte in Gefahr schweben.«
»Warum?«, fragte Sean.
»Sagen Sie es mir. Sie sind der Experte in solchen Dingen.« Als Sean nichts erwiderte, fuhr Alicia leise fort: »Ich habe versucht, die Grundlagen zu schaffen, um es dem Mädchen zu sagen, aber es war nicht leicht.«
»Wenn sie Ihnen wirklich am Herzen liegt, dann schaffen Sie sie raus aus Babbage Town.«
»Das kann ich nicht. Viggie ist glücklich hier. Wenn ich sie fortbringe … an einen Ort, an dem sie noch nie gewesen ist … es könnte sie zerstören.«
»Na großartig«, sagte Sean. »Eine Alternative ist so toll wie die andere.«
»Es gibt noch eine Möglichkeit«, sagte Alicia und packte Seans Hand. »Wir bleiben, und Sie helfen mir, Viggie zu beschützen.«
»Ich habe schon einen Job.« Eigentlich sind es jetzt sogar zwei, verbesserte er sich in Gedanken.
»Sie ist ein Kind. Sie braucht Hilfe. Wollen Sie einfach nur dasitzen und einem jungen Mädchen, das gerade erst seinen Vater verloren hat, die Hilfe verweigern?«
Sean wollte etwas darauf erwidern, hielt sich dann jedoch zurück. Schließlich seufzte er. »Also gut, ich könnte wohl auch noch ein Auge auf das Mädchen werfen.«
Wieder rannen Tränen über Alicias Gesicht. »Danke.«
»Tja, und da ich nun der inoffizielle Bodyguard der jungen Dame bin, würde ich sie gerne einmal kennen lernen.«
Alicia riss sich zusammen und stand auf. »Sie hat gerade ein paar Zahlen für mich aufgeschlüsselt.«
»Sie hat was?«
»Viggie besitzt außergewöhnliche mathematische Fähigkeiten. Nicht dass sie meine Arbeit überflüssig machen würde, aber vielleicht verbirgt sich in ihrem Verstand irgendetwas, das mir den Schlüssel zu der Abkürzung geben könnte, die ich suche.«
»Dann kann dieses verletzliche kleine Mädchen die Welt, wie wir sie kennen, zum Stillstand bringen?«
Alicia lächelte. »Heißt es nicht, ›Selig sind die geistig Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich‹?«
30.
S ean hatte damit gerechnet, ein schüchternes, stilles Mädchen vorzufinden, doch Viggie Turing war voller Energie, und ihre großen blauen Augen schienen jede Bewegung um sie herum förmlich aufzusaugen. Sie trug ein leuchtend rotes Hemd, eine Caprihose und lief barfuß umher. Nachdem Alicia ihn vorgestellt hatte, nahm Viggie sofort Seans Hand und führte ihn zum Klavier.
»Setz dich.«
Er setzte sich.
»Spielst du?«, fragte Viggie und blickte ihn auf unangenehm eindringliche Art an.
»Bassgitarre. Die hat nur vier Saiten und ist nicht allzu kompliziert. Das ist ein Vorteil, wenn man wie ich jeden Tag eine Million Gehirnzellen verliert.«
Viggie machte sich nicht die Mühe, auf seinen kleinen Scherz zu reagieren. Stattdessen setzte sie sich und spielte eine Melodie, die Sean noch nie gehört hatte.
»Hört sich toll an«, sagte er. »Von wem ist das?«
»Vigenère Turing«, antwortete Viggie. »Eine Eigenkomposition.«
Sean schaute das Mädchen beeindruckt an.
»Gefällt es dir?«, fragte sie schlicht.
Er nickte. »Du bist eine sehr begabte Musikerin.«
Sie lächelte schüchtern – ein elfjähriges Mädchen, das zu gefallen suchte. Es machte Sean ein wenig Angst, denn es konnte dazu führen, dass Viggie Menschen vertraute, denen sie nicht vertrauen sollte. Hier gibt es Spione , hatte Rivest gesagt. Viggie spielte ein weiteres Stück, stand auf, ging zu einem Stuhl am Küchentisch und blickte zum Fenster hinaus. Ihre großen, tanzenden Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Sean erhob sich ebenfalls. »Viggie?«
Das Mädchen reagierte nicht.
Sean schaute zu Alicia, die ihm winkte, sich zu ihr auf die Couch zu setzen.
Leise sagte sie: »Sie zieht sich immer wieder in ihre eigene Welt zurück. Wenn wir warten, kommt sie schon wieder zurück.«
»Ist sie psychologisch untersucht worden? Bekommt sie Medikamente?«
»Falls sie mal untersucht worden ist, weiß ich zumindest nichts davon; aber Medikamente bekommt sie nicht. Da ich jetzt ihr Vormund bin, werde ich mich aber sofort darum kümmern.«
»Was wissen Sie über Viggies Mutter?«
»Monk hat mir erzählt, dass sie schon seit Jahren geschieden sind. Er
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