Sebastian
»Ich habe mir neulich den Pfuhl angesehen.«
Fassungslose Stille. Dann prustete Lee vor Lachen. »Oh, Sebastian muss geschwitzt haben wie ein Tier, als du dort aufgetaucht bist.«
Verärgert wurde sie sich der Komik der Geschichte bewusst. »Er hat es besser aufgenommen, als dieser andere Junge, Teaser. Der war ganz kokett, bis er herausgefunden hat, dass ich Sebastians Tante bin und dann -«
Lee heulte auf.
Nadia versetzte ihrem Sohn einen festen Schlag auf die Schulter. »Das ist nicht lustig. Um Himmels willen, Lee, er ist ein Inkubus, und er ist rot geworden.«
Er lachte so heftig, dass er von der Bank fiel.
Nadia schnaubte und wartete darauf, dass er wenigstens den Anschein von Fassung wiedergewann. Als er sich schließlich mit rotem Gesicht und nach Luft schnappend aufrecht hinsetzte, wenngleich auch auf dem Boden, lehnte sie sich nach vorne und sah ihm in die Augen. »Du solltest nicht über ihn lachen. Du kannst ›Mutter‹ und ›Sex‹ nicht einmal im selben Satz sagen.«
Keuchend hob er die Hände und ergab sich. »Nein, kann ich nicht, aber wir reden ja nicht von mir.«
»Du bist ein erwachsener Mann. Du hast Sex gehabt. Ich verstehe nicht, warum du so empfindlich darauf reagierst, wenn andere Leute das Gleiche tun.«
»Können wir wieder über Sebastian und Teaser sprechen? Bitte?«
Sie sah ihm ins Gesicht und lachte - und fühlte, wie sich etwas in ihr verschob, spürte, wie ihr Herz sein Gleichgewicht wiederfand.
Als ihr Lachen verstummte, seufzte sie. »Sie ist wirklich ein Wächter des Herzens, habe ich Recht?«
Lee wurde ernst. »Eine derer, die mit dem Herzen sehen. Ja, das ist sie. Sie ist es schon immer.«
»Ich weiß. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es andere wie sie gibt, irgendwo in der Welt hinter den Landschaften, die wir kennen. Aber selbst wenn es andere gibt, ist Glorianna diejenige, die hier ist - und der Weltenfresser wird alles tun, was in seiner Macht steht, um sie zu vernichten.«
Lee reichte ihr seine Hand. Sie ergriff sie, freute sich über die Wärme und die Berührung, während sie an ihre Tochter dachte, die das Schicksal Ephemeras in den Händen hielt.
Lange Zeit saßen sie schweigend so da.
Koltak stolperte, obwohl es nichts gab, gegen das sein Fuß hätte stoßen können. Dann bemerkte er, dass das endlose Grasland sich in einen Schotterweg verwandelt hatte. Die Luft fühlte sich anders an - wärmer, trockener -, und er konnte das Geräusch von Wellen hören, die an den Strand rollten.
Er hatte keine Resonanz einer Brücke gespürt, aber er war so müde, dass er sie vielleicht nicht wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich hatte er eher eine Grenzlinie zwischen zwei ähnlichen Landschaften überschritten, als eine Grenze, die eine Brücke erfordert hätte. Trotzdem, eine Straße würde an ein Ziel führen, also folgte er ihr, bis er an ein Cottage kam.
Das Haus sah aus, als sei es von Menschenhand errichtet worden. Er könnte an die Tür klopfen und um Essen und Unterkunft bitten.
Natürlich bedeutete, dass das Cottage von Menschen erbaut war, noch lange nicht, dass auch seine Bewohner menschlich waren.
Er zögerte und folgte dann weiter dem Weg. Wenn es ein Haus gab, würde es auch andere geben. Vielleicht sogar ein Dorf.
Er konnte nicht sagen, wie lange er gelaufen war, bis er die farbigen Lichter erblickte. Sein Herz hob sich. War er endlich am Ziel seiner Reise angekommen?
Hoffnung kämpfte gegen Erschöpfung und trug so lange den Sieg davon, dass er es schaffte, den Beginn einer Kopfsteinpflasterstraße zu erreichen, die er vor Jahren schon einmal gesehen hatte.
Fest entschlossen, die Reise zu Ende zu bringen, lief Koltak die Hauptstraße des Sündenpfuhls entlang.
Der Weltenfresser ist eingeschlossen und kann keine anderen Teile Ephemeras mehr berühren, außer den Landschaften, die Er geformt hat. Und auch sie sind aus der Welt genommen worden. Aber die Wächter der Dunkelheit, die den Weltenfresser geschaffen haben, die sich an Seiner Zerstörung der Welt erfreut haben, sind noch immer dort draußen in den Landschaften. Irgendwo.
Sie sind schlau. Und sie sind grausam.
Sie nähren die dunklen Begierden des Herzens. Man sagt, sie seien in der Lage in einen Geist zu schlüpfen, um ihm Dinge einzuflüstern, die ein Herz dazu bringen, sich vom Licht abzuwenden.
Ja, sagen sie, es ist nicht gerecht, dass du arm bist und dir dies hübsche Schmuckstück nicht leisten kannst. Du verdienst es, dieses Schmuckstück zu besitzen. Wenn du es nimmst
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