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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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hallte, spüren konnte. Bis sie die Dissonanz wieder spüren konnte.
    Und noch etwas, angezogen von der Stärke ihrer Gefühle.
    Ephemera. Bereit, ihren Empfindungen Gestalt zu verleihen und sie Wirklichkeit werden zu lassen.
    Warte, sprach sie und sandte sanfte Zurückhaltung aus, während sie zum Teich zurücklief. Warte.
    Als sie das Blut und das Erbrochene roch, hielt sie an. In ihrem Geist entstand ein Bild der Linien der Macht - rot vor Zorn, schwarz vor Verzweiflung -, die von dort,  wo sie stand, geradewegs ins Herz des Teiches strömten. Dann ließ sie ihre Gefühle durch sich hindurchfließen und ebnete ihnen einen Weg.
    »Verzweiflung schafft die Wüste«, flüsterte sie und sah zu, wie Gras und fruchtbarer Boden sich in Sand verwandelten, fühlte, wie das Wasser im Teich zu Sand wurde. »Und Zorn … schafft … Stein.«
    Felsbrocken brachen aus der Erde hervor, formten einen Käfig um das, was einst der Teich gewesen war. Kleinere Steine fassten den Sand ein, trennten ihn vom Gras. Als der letzte Stein unter ihren Füßen Gestalt annahm, trat Glorianna zurück.
    Veränderte Landschaften. Ein Stück Wüste an einem Ort, der keine Wüsten kannte. In eine Richtung eine Grenzlinie … aber keine Grenze. Dieser Ort würde für das Auge sichtbar sein und konnte darum gemieden werden. Jeder, der die Grenzlinie aus Steinen übertrat, würde kaum mehr finden als Hitze und Sand. Und keinen Weg zurück in die Landschaft der Wasserpferde.
    Die Todesdreher würden an diesem Ort sterben.
    Aber irgendwo in dieser Landschaft war noch immer ein Ankerpunkt - oder eine Brücke -, die es dem Weltenfresser erlaubt hatte, zurückzukehren.
    Genug, dachte sie. Lee kann den Standort einer Brücke aus einer Meile Entfernung bestimmen, aber du kannst es nicht. Das ist nicht deine Gabe. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.
    Sie lief eine Weile umher, kümmerte sich nicht um die Richtung, wollte einfach das Land spüren. Es war eine dunkle Landschaft, aber es war gutes Land. Reiches Land. Oh, es waren menschliche Ängste in den Boden gesickert, aber ebenso Erleichterung und Freude.
    Sie lächelte. Die Wasserpferde waren dabei, sich zu verändern, betrachteten nicht mehr alle Menschen als Beute oder Feinde. Sie begannen zu erkennen, dass es genauso viel Spaß machte, einem betrunkenen Narren  Angst einzujagen, indem man ihm einen schnellen Ritt und ein kaltes Bad verpasste, wie einen Menschen zu töten. Und dem Menschen, dem der Moment gegeben wurde, zu erkennen, dass sein Leben schnell ein Ende haben könnte, und dem eben dieses Leben neu geschenkt wurde, erhielt ebenfalls die Möglichkeit, sich zu verändern. Gelegenheit und Entscheidung. Für einige würde sich nichts ändern. Für andere würde es neue Wege öffnen, sie in eine andere Landschaft bringen, ihrer Welt ein wenig mehr Licht schenken.
    Wieder beruhigt, konzentrierte sie sich auf ihr Herz und ihren Willen, ging den Schritt zwischen Hier und Dort und betrat einen Moment später ihren Garten.
    Erst als sie zurück in ihrem Haus war, um auf Lees Rückkehr zu warten, dachte sie wieder an den Pferdekopf - und fragte sich, was wohl mit dem Reiter geschehen war.
     Nadia saß alleine auf einer Bank in ihrem persönlichen Garten und sah zu, wie Lee anhielt und die Pflanzen betrachtete, die über Nacht braun geworden waren.
    »Frost?«, fragte Lee, als er auf die Bank zulief. »Zu dieser Jahreszeit?«
    »Frost«, stimmte Nadia ihm traurig zu. Sie tippte sich an die Brust. »Er kam von hier.«
    Lee setzte sich neben sie und sah sie an.
    Er hatte die Augen seines Vaters, dieses Grün, das manchmal sanft und verträumt sein konnte und sich bei schlechter Laune zu einem stürmischen Grau verdunkelte - oder wie jetzt, klar und durchdringend war.
    Ihr Junge. Aber er gehörte nicht wirklich ihr. Schon seit vielen Jahren nicht mehr.
    »Was belastet dich, Mutter?«, fragte Lee behutsam.
    Nein, er war nicht ihr Junge. So sehr er sie liebte - und sie wusste, dass er das tat -, er gehörte nicht ihr. »Hat Glorianna dich geschickt?«
    »Sie weiß, dass etwas nicht stimmt. Etwas, das stark genug ist, um in deinen Landschaften widerzuhallen.«
    »Sie hat recht.« Schließlich blieb Glorianna Belladonna kein Geheimnis des Herzens verborgen. »Als ich eine Stadt in einer meiner Landschaften aufgesucht habe, hat mich etwas berührt. Mich verseucht.«
    Lee versteifte sich. »Ein Wächter der Dunkelheit? Denkst du, einer von ihnen hält sich in deinen Landschaften auf?«
    War dort einer von ihnen

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